(Berlin) – Eigentlich will die SPD ihren Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl erst Ende Januar benennen. Doch einem Medienbericht zufolge hat sich Parteivorsitzender Gabriel jetzt schon entschlossen, im Herbst anzutreten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich schon erklärt – sie geht für die CDU zur Bundestagswahl erneut ins Rennen. Wird ihr derzeitiger Vize-Kanzler, Sigmar Gabriel, ihr Herausforderer von der SPD? Zumindest die „Bild“-Zeitung berichtet, dass Gabriel nach internen Gesprächen und unter anderem auf dringendes Anraten von Altkanzler Gerhard Schröder seine Entscheidung getroffen habe und als Kanzlerkandidat antreten werde. „Bild“ beruft sich auf nicht näher bezeichnete Parteikreise.

Der Parteivorstand hält sich aber noch zurück und am Zeitplan fest. Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Eva Högl wollte Berichte, wonach sich Gabriel bereits entschieden haben soll, als Kanzlerkandidat anzutreten, nicht bestätigen. Die engere Parteiführung der SPD will heute, am Dienstag, bei einem Treffen in Düsseldorf über die Strategie für das Wahljahr 2017 beraten. Nach Angaben der Bundespartei soll dabei keine Entscheidung fallen, wer als Kanzlerkandidat ins Rennen geht.

Högl sagte heute im Bayerischen Rundfunk: „Es ist natürlich keine Überraschung, dass Sigmar Gabriel der heiße Anwärter auf diese Aufgabe ist, denn er ist unser Parteivorsitzender und er hat den ersten Zugriff.“

Gabriels Omnipräsenz seit Jahresbeginn wird vielfach als Indiz für eine Kandidatur des Parteivorsitzenden gedeutet. Kaum ein Tag vergeht, an dem sich der SPD-Vorsitzende nicht im Fernsehen oder in den Zeitungen zum Thema Sicherheit nach dem Anschlag von Berlin äußert. Das Thema innere Sicherheit wird voraussichtlich das Wahlkampfthema vor der Bundestagswahl im September sein.

Aber auch in seinem Wirtschaftsressort zeigt sich der Minister umtriebig und als Kümmerer. Kurz vor Weihnachten gelang es mit seiner Hilfe, knapp 15.000 Jobs bei der Übernahme der Supermarktkette Kaiser’s Tengelmann zu sichern. Zu Beginn der Woche traf sich Gabriel mit dem Management des kanadischen Zugherstellers Bombardier, der in seinen deutschen Werken einen strammen Sparkurs fährt.

Schulz aus dem Rennen?

An diesem Dienstag kommt die engere Parteiführung der SPD in Düsseldorf zusammen, um über das Wahljahr mit der richtungsweisenden Entscheidung im Mai in Nordrhein-Westfalen (Landtagswahlen) und im Herbst im Bund zu beraten. Die Gabriel-Alternative – der in Umfragen deutlich beliebtere Martin Schulz – ist nicht dabei. Er reist als noch EU-Parlamentspräsident zur Beerdigung des früheren portugiesischen Präsidenten Mario Soares nach Lissabon. Beobachter werten das ebenfalls als Indiz dafür, dass nicht Schulz, sondern Gabriel antritt.

Andererseits ist der 57-Jährige immer für eine Überraschung gut. So könnte Gabriels Offensive auch dazu dienen, für den Fall eines Verzichts auf die Kandidatur seine dann gefährdeten Posten als SPD-Vorsitzender. Minister und Vizekanzler zu festigen. Denn auch seine jüngsten politischen Erfolge scheinen kaum dazu beizutragen, Gabriels Umfragewerte zu verbessern. Das Gros der Deutschen will ihn nicht als Kanzler, selbst bei SPD-Wählern ist der Rückhalt überschaubar. Das weiß auch Gabriel. Ob die SPD nun tatsächlich bis zum 29. Januar wartet, um ihren Spitzenkandidaten vorzustellen, wird sich zeigen.

von

Günter Schwarz – 10.01.2017