(København) – Im Interview mit Altinget.dk gibt sich der dänische Außenminister Anders Samuelsen von der Liberalen Allianz optimistisch, was die europäische Zukunft angeht – wenn die „populistischen Strömungen und der Brexit“ richtig angegangen werden – und die EU sich auf ihre „Kernaufgaben“ besinnt.

Die Europäische Union steht am Abgrund – doch wenn die Politik schnell eine neue Richtung für Europa findet, sieht Dänemarks neuer Außenminister, Anders Samuelsen, eine große Zukunft für das Projekt EU.

In einem ausführlichen Interview mit Altinget.dk schildert der Politiker seine Sicht – und seine Pläne – für die kommenden Jahre.

„Was innerhalb der nächsten drei, vier, fünf Jahre passiert, ist absolut entscheidend. Besonders dahingehend, wie wir die populistischen Strömungen und den Brexit angehen“, sagt er.

Die EU würde nicht von einen Tag auf den anderen kollabieren – doch „der Druck, abzuliefern, ist enorm“.

Besorgte Menschen ernst nehmen – damit sie nicht die einfachen Antworten wählen

Über Europa schwappe derzeit eine „Besorgniswelle“. Die Menschen seien sich nicht sicher, ob die Politik die richtigen Antworten auf die großen Herausforderungen der Zeit haben. Würden diese Besorgnisse nicht ernst genommen, stoße man die Menschen in die Arme der Populisten. „Wenn wir nicht schnell etwas unternehmen, kommen einfach welche und greifen sich den Ball mit einfachen Antworten“, sagt Samuelsen. Die Haltung der Politiker sei zu häufig arrogant gewesen. Doch, so ist er sich sicher, in Dänemark habe sich die Stimmung zugunsten der Regierung gewandelt. Dies liege auch an den verschärften Maßnahmen in der Flüchtlingspolitik, wo dänische und europäische Maßnahmen Wirkung gezeigt hätten.

Brücken zwischen Europa und nationaler Identität bauen

In Europa sei man sich inzwischen darüber im Klaren, dass der Weg der größeren politischen Integration nicht weiter führe. „Meine Mission ist es, größere Brücken zwischen der europäischen Zusammenarbeit und der nationalen Identität zu bauen. Das war schon so als ich im Europaparlament saß“, sagt er zu Altinget.dk.

Damals habe sich alles euphorisch auf eine noch größere EU vorbereitet. Jetzt habe sich die Stimmung verändert – „und das macht meine Arbeitsverhältnisse um Brücken zu bauen besser.“

Die EU soll abspecken – und sich neu ausrichten

Samuelsen spricht sich gegen eine soziale Union, gegen gemeinsame Steuer- und Wohlfahrtspolitik aus. Als Beispiel nennt er die Sozialleistungen über Grenzen hinweg, wo es konkrete Lösungen geben müsse, ansonsten könne „selbst ein so kleiner Fall der Keim für großen Widerstand gegen die europäische Zusammenarbeit werden“.

In Dänemark hat es eine große öffentliche Debatte um das Thema gegeben, die rechtspopulistische Dansk Folkeparti (Dänische Volkspartei) machte damit Stimmung gegen die EU und gegen Einwanderer aus Osteuropa. Kürzlich kam heraus, dass es ganzen 18 nicht-dänischen Staatsbürgern vergönnt ist, in Dänemark Sozialhilfe zu beziehen.

Der Kern der EU solle „Frieden, Freiheit und Freihandel“ lauten, meint Samuelsen. Sie seien der Motor für Wohlstand und Dänemark sei eine Handelsnation, die von einer solchen EU nur profitieren könne.

Globalisierung als positive Entwicklung darstellen

Derzeit würden Leute, die globalisierungskritisch sind, Wahlen entscheiden. Dem müsse entgegengewirkt werden – und er nennt die jüngere Generation als Hoffnungsschimmer. „Wir müssen auch die guten Geschichten der Globalisierung erzählen“, sagt Samuelsen. „Die Wahrheit ist, dass wir durch die Globalisierung alle reicher geworden sind – nicht ärmer.“

Außenpolitisch sieht Samuelsen Europa gefordert – und spricht sich für ein stärkeres gemeinsames Auftreten aus. Zum Beispiel gegenüber Russland. „Hier steht Dänemark stärker da, wenn es Teil eines gemeinsamen Sanktionsregimes ist.“

von

Günter Schwarz – 23.01.2017