(Moskau) – Wer in Russland seine Frau, Kinder oder andere Angehörige verprügelt, kann dafür mit einer Haftstrafe von bis zu zwei Jahren bestraft werden. Bisher. Denn nun dürfte sich das ändern.

Das Parlament verabschiedete ein Gesetz, wonach häusliche Gewalt künftig nicht mehr als Straftat, sondern nur als Ordnungswidrigkeit gilt. Eine härtere Strafe soll nur dann verhängt werden, wenn die Schläge mehr als einmal im Jahr vorkommen oder körperliche Schäden sichtbar sind.

Das Gesetz geht auf die konservative Abgeordnete Jelena Misulina zurück, die die bisherige Gesetzesregelung als „familienfeindlich“ betrachtet. So verschlechtere Gefängnisaufenthalt wegen eines „Klapses“ lediglich das Familienklima. Schläge aber seien ein adäquates Mittel zur Erziehung – und entsprächen der russischen Familientradition.

Nach Misulinas Ansicht haben Eltern in vielen Fällen gar keine andere Wahl, als die Kinder mit Gewalt auf den richtigen Weg zu bringen. „In Russland basieren die Familienwerte auf der Autorität der Eltern“, sagt Misulina. Das neue Gesetz solle diese Tradition schützen.

Nach Angaben der russischen Regierung werden nach der aktuellsten Statistik aus dem Jahr 2013 rund 40 Prozent der Körperverletzungen innerhalb der eigenen vier Wände verursacht. 36.000 Frauen leiden in Russland jeden Tag unter den Schlägen ihrer Männer, 26.000 Kinder werden täglich von ihren Eltern misshandelt.

Knapp alle 40 Minuten kommt eine Frau durch häusliche Gewalt ums Leben, insgesamt sterben deswegen pro Jahr in Russland zwischen 12.000 und 14.000 Frauen. Neuere offizielle Zahlen sind nicht bekannt – lediglich Schätzungen von Nichtregierungsorganisationen wie der Moskauer Initiative „Schwestern“. Viele Fälle werden auch nicht bekannt, denn häusliche Gewalt ist in Russland ein absolutes Tabuthema.

Misulina hatte ihren Vorschlag im vergangenen Sommer der Duma vorgelegt, das Unterhaus hat ihn nun in dritter Lesung verabschiedet. Das Gesetz muss nun noch von der zweiten Parlamentskammer behandelt werden, die Zustimmung des Föderationsrates gilt aber als Formsache. Der Kreml hatte die Initiative bereits im Vorfeld verteidigt.

von

Günter Schwarz – 28.01.2017