(Stuttgart) – Bundeskanzlerin Angela Merkel erhält für ihre Flüchtlingspolitik heute in Stuttgart den mit 5.000 Euro dotierten Eugen-Bolz-Preis. Der ehemalige Staatspräsident (1928 – 1933) des Volksstaates Württemberg gilt in der Bundesrepublik als „großer christlicher Widerstandskämpfer“. Tatsächlich aber war Bolz Verhältnis zu Hitler jedoch lange Zeit eher von Opportunismus denn von Widerstandsgeist geprägt.

Besonders in konservativen Kreisen herrscht nach verbreiteter Auffassung ein Mangel an Vorbildern, die sich konsequent dem Aufstieg Adolf Hitlers entgegengestellt hatten. Als einer dieser Widerstandskämpfer wird heute Eugen Bolz gefeiert. Straßen und Plätze sind nach dem im Jahr 1881 geborenen Zentrums-Politiker benannt. Die Katholische Kirche schlug die Seligsprechung des früheren Württemberger Staatspräsidenten vor und eine nach Bolz benannte Stiftung vergibt in unregelmäßigen Abständen einen Preis für „praktizierte christliche Verantwortung in der Politik“.

Doch auch wenn Bolz im Januar 1945 schließlich von den Nazis zum Tode verurteilt wurde: Von Anfang an kämpfte der Konservative mitnichten an vorderster Front gegen Hitler und seine „braunen Heerscharen“. Im Jahr 1932 urteilte Bolz noch über den aufsteigenden Diktator: „Mein Eindruck über Hitler war ein besserer als ich vermutete. Seine Äußerungen waren konsequent und klar, und seine Auffassungen decken sich im Allgemeinen weitgehend mit den unseren.“

Zwar äußerte der Zentrist auch immer wieder Zweifel an Hitler, betrachtete diesen jedoch lange als notwendiges Übel und vertrat die Ansicht, dass zumindest ein „Diktator auf Zeit“ dem Land gut tun würde: „Wir sind nicht dagegen. […] Wir sind seit Monaten davon überzeugt, dass die Kanzlerschaft Hitlers eine politische Notwendigkeit geworden ist.“

Folgerichtig widersetzte sich Bolz auch nicht dem Fraktionszwang und stimmte am 24. März 1933 Hitlers Ermächtigungsgesetz zu. Auf erste Sanktionen nach Hitlers „Machtergreifung“ reagierte Bolz mit einem Rückzug ins Privatleben.

Erst ab 1941 leistete der frühere Amtsträger verstärkten Widerstand und bewegte sich im Kreise Stauffenbergs, jedoch ohne dessen Attentatsambitionen auf Hitler gutzuheißen. Ein Regierungsamt würde er aber übernehmen, sollte der Sturz des Hitlerregimes gelingen, ließ Bolz wissen. Diese äußerst moderate Form des Widerstandes bewahrte den Namensgeber des heute an Angela Merkel überreichten Preises nicht vor der Verurteilung zum Tode. Am 23. Januar 1945 wurde Bolz in Berlin enthauptet.

Dass Merkel den Eugen-Bolz-Preis für humanitäres Engagement erhält, ist damit nur folgerichtig. Zwar lässt sich nicht leugnen, dass die Kanzlerin im Zuge der Flüchtlingswelle bereit war, umstrittene Entscheidungen zu treffen. Doch sollte dabei nicht vergessen werden, dass Merkel noch im Jahr 2002 den Angriffskrieg gegen den Irak unterstützte. Aus dem zerfallenen Staat ging schließlich der IS hervor, welcher einen Großteil der Flüchtlingskrise erst auslösen konnte. Mit Widerstand ist das eben immer eine Frage des Timings, mit humanitärem Engagement ebenfalls.

von

Günter Schwarz– 01.02.2017