Sonnengebräunte Mädchen in Bikini zeigen auf Instagram ihren Ab-Crack – eine schmale Linie im oberen Bauchbereich. Doch dieser Trend ist gefährlich. Er erfordert einen sehr geringen Körperfettanteil. Und die Linie ist nicht bei jedem Menschen zu sehen.

Model und Schauspielerin Emily Ratajkowski ist sozusagen die Vorreiterin des Ab-Cracks. Auf einem Instagram-Foto präsentiert sie ihre Bauchmuskel-Spalte.

Diese Linie zieht sich vom Dekolletee bis zum Bauchnabel und heißt in der Fachsprache Linea Alba. Und Ratajkowski löste mit ihrer Bauchspalte einen wahren Hype aus – der nicht ungefährlich ist.

Was ist ein Ab-Crack?

Die Linea Alba verläuft ungefähr vom Brustbein bis zum Becken. Sie trennt die rechten und die linken Bauchmuskeln und verläuft senkrecht durch den Bauchnabel. Die Bauchspalte ist eine Bindegewebsnaht und entsteht durch die Verflechtung der Sehnen der seitlichen Bauchmuskeln.

Wie sieht man die Linea Alba?

Hier ist der Knackpunkt: Die Ab-Crack ist tatsächlich nur zu sehen, wenn man einen extrem geringen Körperfettanteil hat. Die Linie ist erst ab einem Anteil von 12 bis 15 Prozent zu sehen, bei Männern muss das Körperfett sogar unter zehn Prozent liegen. Zum Vergleich: Bei Männern sollte er zwischen 15 und 24 Prozent liegen, bei Frauen zwischen 22 und 28 Prozent.

Hinzu kommt, dass es noch lange nicht ausreicht, einfach nur dünn zu sein. Die Bauchmuskeln müssen stark trainiert werden, besonders die obere Muskelpartie.

Warum ist das gefährlich?

Ein zu geringer Körperfettanteil bringt zahlreiche Probleme mit sich. Da die Fettzellen unter anderem Hormone produzieren, sinkt der Hormonspiegel, wenn der Fettanteil im Körper zu gering ist. Das hat zur Folge, dass bei Frauen die Regelblutung ausbleiben kann. Bei Männern kann es zu Potenzstörungen kommen. Auch Haarausfall ist eine häufige Folge.

Wer stark trainierte Bauchmuskeln hat, braucht als Ausgleich auch einen starken Rücken. Wer nicht darauf achtet, brockt sich muskuläre Dysbalancen ein, die zu starken Schmerzen führen können.

Um einen niedrigen Körperfettanteil zu erreichen, essen viele Menschen zu wenig und vor allem auch zu unausgewogen. Als Folge davon treten häufig Nährstoffmängel auf.

Körper- und Fitnesstrends gab es bereits früher, sagt Andreas Schnebel, Psychologe und Vorsitzender des Bundesfachverband Essstörungen (BFE). Heute breiten sich diese Modeerscheinungen durch Instagram und Co. jedoch viel schneller aus. „Das Problem ist auch, dass immer jüngere Mädchen im Internet unterwegs sind. Die sind noch nicht so kritikfähig und erkennen, dass Instagram-Fotos retuschiert sind“, so Schnebel.

Dadurch, dass viele Menschen Bilder hochladen, liken und weiterverbreiten, wird suggeriert, dass diese Körperform erstrebenswert ist. „Frauen mit dieser speziellen Körperform machen jedoch nicht einmal zehn Prozent der Bevölkerung aus“, sagt Schnebel.

Und so produzieren Fitnesstrends wie der Ab-Crack, Hip-Dent (eine Delle auf der Hüfte) oder auch die Thigh-Gap (eine Lücke zwischen den Oberschenkeln) nicht direkt Magersucht, erklärt Schnebel: „Es sind aber Faktoren, gegenüber denen viele Mädchen anfällig sind.“

Was kann man dagegen tun?

In diesem Zusammenhang ist es sehr wichtig, sich vor Augen zu halten, dass nicht jeder die Bauchmuskel-Spalte erreichen kann. Nur bei etwa einem Drittel der Menschen ist die Linea Alba so stark ausgeprägt, dass die tatsächlich sichtbar sein kann.

Außerdem kann man per Photoshop jede noch so kleine Linie vergrößern und dafür Hüften, Beine und Arme schlanker machen und auch bei der Oberweite nachhelfen. Instagram-Posts werden mittlerweile genauso mit Bildbearbeitungsprogrammen nachbearbeitet, wie Magazin-Cover.

Eltern empfiehlt Andreas Schnebel, mit ihren Kindern im Gespräch zu sein: „Man muss versuchen, ihre Reflexion und Kritikfähigkeit zu fördern.“ Zudem müssen man Jugendlichen klarmachen, dass die Fotos in sozialen Netzwerken selten echt sind.

von

Günter Schwarz – 08.02.2017