(Kirow) – In einem neu aufgerollten Prozess, nachdem der Prozess gegen ihn im Jahr 2013vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte als unfair bezeichnet worden war, hat ein russisches Gericht den Oppositionellen Alexej Nawalny schuldig gesprochen. Er wurde erneut zu fünf Jahren Haft auf Bewährung verurteilt.

Dem bekannten Kritiker von Präsident Putin wird vorgeworfen, einer staatlichen Firma Bauholz im Wert von rund 16 Millionen Rubel (etwa 500.000 Euro) gestohlen zu haben. Nawalnys Anwälte fürchten, dass er bei einer rechtskräftigen Verurteilung nicht bei der Präsidentenwahl 2018 kandidieren darf. Der 40-Jährige hat Berufung angekündigt.

Aufsehen hatte der Fall vergangene Woche auch erregt, weil Nawalny von Beamten aus seinem Moskauer Büro abgeführt und zum Gericht nach Kirow gebracht worden war. Zuvor war Nawalny angeblich mehrfach nicht zu Verhandlungen erschienen.

„Wie auch immer das Urteil ausfällt, es stoppt unsere politische Arbeit nicht“, sagte Nawalny während der Gerichtsverhandlung. Er bekräftigte, er werde einen möglichen Schuldspruch anfechten und trotzdem in den Wahlkampf ziehen.

Kreml dementiert Vorwürfe

Der 40-jährige Politiker wirft den Behörden vor, mit dem Prozess seine Teilnahme an der Präsidentenwahl vom nächsten Jahr verhindern zu wollen. Der Kreml dementiert dies.

Kritiker werfen Nawalny vor, sich mit dem Prozess interessant machen zu wollen und diesen deswegen gezielt mit seinem Wahlkampf in Verbindung zu bringen.

In der gleichen Strafsache war Nawalny bereits 2013 zu fünf Jahren Haft auf Bewährung verurteilt worden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stufte den Prozess aber als unfair ein, das Oberste Gericht Russlands ordnete eine Neuaufnahme an.

Einschätzung des Falls Nawalny

Es handelt sich ziemlich eindeutig um ein politisches Verfahren gegen Nawalny. Das sieht man daran, dass der Richter die exakt gleiche Urteilsbegründung vorlas, wie beim ersten Urteil im gleichen Fall. Im schriftlichen Urteil befanden sich sogar noch die gleich Rechtschreib- und Interpunktionsfehler.

Dieses hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte als „politisch motiviert“ und damit als „unfair“ beurteilt. Dabei verdeutlicht das Urteil gegen Nawalny die Rolle der Justiz in Russland; nämlich, die politische Opposition zu unterdrücken. Es fragt sich bloss, wieso Putin dieses angesichts seiner guten Umfragewerte überhaupt nötig hat – oder ob er etwa den Umfrageergebnissen nicht traut.

Falls das Urteil rechtskräftig wird, darf Nawalny nicht zur Präsidentenwahl 2018 antreten. Allerdings hatte er schon vorher angekündigt, in diesem Fall Berufung einlegen und trotzdem kandidieren zu wollen. Fakt ist jedoch, dass der Kreml Nawalny jetzt in der Hand hat und dafür sorgen kann, dass höhere Instanzen ein endgültiges Urteil fällen. Für den Kreml ist das eine sehr komfortable Situation: Sollte der Kritiker während des Wahlkampfs plötzlich unbequem werden, kann er ihn ganz einfach aus dem Weg räumen.

Allerdings rechnet in Russland kaum jemand damit, dass Nawalny gegen Präsident Wladimir Putin eine ernsthafte Wahlchance haben könnte. Dazu ist Putin vor allem bei der Landbevölkerung Russlands viel zu beliebt. Außerdem kontrolliert er die Medien des Landes. Trotzdem gilt festzuhalten: Nawalny ist mit seinem Charisma, seiner Redegewandtheit und seinem Mut eine Ausnahmeerscheinung in der russischen Opposition. Vor allem bei der Jugend ist er beliebt – und er könnte die Machtmaschinerie des Kremls durchaus empfindlich stören.

von

Günter Schwarz – 08.02.2017