Wie auch südlich der Grenze leisten in Dänemark 40 Prozent der Pflegekräfte reichlich Überstunden und geben an, aus Angst vor einer Kündigung in ihrer Freizeit zu arbeiten. Experten zeigen sich besorgt.

Im Pflegesektor werden viele Überstunden geleistet, weil die Angestellten Angst vor Entlassungen haben. Das ergab eine Untersuchung der Gewerkschaft FOA unter 5.000 Mitgliedern. Alwine Holt, Familienberaterin beim Sozialdienst Nordschleswig, bestätigt, dass besonders Heimhelfer sehr unter Zeitdruck stehen und fordert, die Belastung dieser Mitarbeitergruppe zu senken.

40 Prozent der über 100.000 Heimhelfer, Altenpfleger, Sozial- und Gesundheitsassistenten und weiterer Angestellter im Pflegebereich gaben bei der FOA-Umfrage an, Arbeit in der Freizeit zu erledigen, weil sie diese nicht in der regulären Arbeitszeit geschafft hätten. Besonders die Dokumentation über den Gesundheitszustand und die Behandlung der Patienten würden während der Überstunden erledigt, heißt es in der Untersuchung.

Bei den Überstunden handelt es sich um mindestens 10 bis 30 Minuten in der Arbeitswoche, jeder fünfte gab an, über 30 Minuten pro Woche unbezahlt zu arbeiten. „Die Angst vor einer Kündigung treibt die Leute dazu“, erklärt FOA-Sekretär Jens Nielsen. Er weiß auch, warum sie so reagieren. „Es sind Menschen mit einem großen Herzen für ihre Mitmenschen. Für sie bedeutet es ein Versagen, wenn sie ihre Arbeit nicht schaffen“, sagt er.

Das bestätigt die Familienberaterin Alwine Holt. „Die Heimhelfer, Pflegeschwestern und andere aus dem Pflegebereich sind gewissenhaft. Für sie kommen die Menschen, die sie versorgen, zuerst“, berichtet sie aus Erfahrung und Beobachtungen. Allerdings weiß sie (angeblich) nichts von Überstunden, kann sich aber vorstellen, dass das vorkommt. „Die Dokumentation wird als lästige Aufgabe gesehen, da die schon wenig bemessene Zeit mit den Patienten durch die Papierarbeit  verkürzt wird. Da ist es schon möglich, dass das Pflegepersonal dann die Freizeit dafür nutzt – zugunsten der Patienten“, sagt sie. 

Die Familienberaterin warnt, die Pflegekräfte nicht zu überlasten. „Das ist die Aufgabe der Politik, dafür zu sorgen, dass auf die wichtige Arbeit, die diese Menschen machen, ein wacher Blick geworfen wird, damit sie nicht ausbrennen“, sagt sie.

Peter Hasle, Professor für Arbeitsmilieu an der Universität in Aalborg, ist von den Zahlen überrascht. „Es wundert mich, dass die Mitarbeiter trotz der Arbeitsbelastung so großes Engagement zeigen“, sagte er zur Zeitung „Politiken“.

Auch Michael Ziegler, Vorsitzender des Lohn- und Personalausschusses der Arbeitgeber in der Dachorganisation Kommunernes Landsforeningen (KL), ist überrascht von den versteckten Überstunden. Auch er findet, dass die Mitarbeiter nicht kostenlos arbeiten dürften und die Gefahr bestehe, dass es zum sogenannten Burnout kommen kann. „Keiner hat Vorteile von den Überstunden, wenn die Angestellten dadurch ausbrennen und sich krankmelden. Dann fällt der Dienstplan auseinander“, sagt er. 

Familienberaterin Alwine Holt schlägt vor, „die Papierarbeit auf das richtige Level zu senken“. Das findet auch Dänemarks Altenministerin Thyra Frank (Liberal Alliance). Sie möchte den Dokumentationsaufwand senken, sagte sie zu „Politiken“.

von

Günter Schwarz – 09.02.2017