(København) – Mit zusätzlich 150 Plätzen in der stationären Psychiatrie will der dänische Gesetzgeber, das Folketing, die Pflegekräfte in diesem Fachgebiet besser schützen, nachdem es seitens von Patienten mehrfach zu Übergriffen nicht nur auf Mitpatienten sondern auch auf Pflegekräfte gekommen ist. Es ist eine Reaktion auf einen Angriff auf eine Pflegerin in Roskilde, be i dem diese von einem Patienten erstochen wurde. Physische Gewalt in psychiatrischen Wohneinrichtungen soll in Zukunft weitgehend verhindert werden.

Am Freitagabend hat sich eine breite Mehrheit im Folketing darauf geeinigt, 150 zusätzliche Plätze in der stationären Psychiatrie zu schaffen. Das teilte das Gesundheits- und Seniorenministerium am Samstag mit. Die Plätze richten sich an Bewohner kommunaler Wohneinrichtungen für psychisch Kranke, die durch gewalttätiges Verhalten aufgefallen sind. Nur die Enhedslisten (Einheitsliste) stimmte gegen den Beschluss, der nach einer Sitzung der Fachpolitiker mit Interessenvertretern getroffen wurde. 

Die kommissarische Gesundheitsministerin Karen Ellemann (Venstre / rechtssoziale Partei) begrüßt den Beschluss: „Wir müssen für sichere Bedingungen in den kommunalen Wohneinrichtungen sorgen, und hierzu werden die 150 Plätze in neuen stationären Abteilungen beitragen“, teilte sie mit. Der Beschluss legt die Rahmenbedingungen für neue Rehabilitationsabteilungen in der stationären Psychiatrie fest. Dabei handelt es sich um ein freiwilliges Angebot, das die Sicherheit in den kommunalen Wohneinrichtungen erhöhen soll.

Angestellte von Bewohner erstochen 

Die Debatte über die Sicherheit von Bewohnern und Angestellten in den kommunalen Wohneinrichtungen für psychisch Kranke war durch einen Vorfall in der Wohneinrichtung Lindegården in Roskilde entfacht worden, bei dem eine 57-jährige Angestellte von einem Bewohner erstochen wurde. Es war bereits der fünfte Vorfall dieser Art innerhalb von vier Jahren.

Anfang März hatte die Regierung einen Gesetzesvorschlag für Veränderungen innerhalb der Wohneinrichtungen selbst nach scharfer Kritik durch die Opposition und Interessenverbände fallen gelassen. Das Gesetz führe zu unverhältnismäßigem Gebrauch physischen Zwangs, lautete damals die Kritik. Anschließend forderte die Gewerkschaft FOA ihre Mitglieder auf, in besonderen Situationen ihr Recht auf Arbeitsverweigerung ausüben.

Ministerin Ellemann zufolge sollen die Patienten in den neuen Abteilungen eine Rehabilitationsbehandlung erhalten und „lernen, ihren Alltag zu meistern“. „Dies nützt sowohl ihnen selbst als auch den verbleibenden Bewohnern und dem Personal, deren Alltag sicherer wird“, sagt die Ministerin.

Der Beschluss leide jedoch unter einem wesentlichen Mangel, sagt Bent Hansen (Socialdemokraterne), Vorsitzender des Dachverbandes der dänischen Regionen. „Natürlich ist es positiv, dass das Folketing das Problem der Gewalt in Wohneinrichtungen lösen will. Es ärgert mich jedoch, dass man nicht mehr auf unsere Vorschläge eingegangen ist, um eine gemeinsame Lösung zu finden“, so Hansen in einer schriftlichen Stellungnahme. „Es besteht großer Nachholbedarf bei der Qualität der sozialpsychiatrischen Behandlung, die diejenigen Bürger entgegennehmen muss, die nach monatelanger stationärer Behandlung in den Alltag in einer Wohneinrichtung zurückkehren.“

Die kommissarische Gesundheitsministerin Karen Ellemann widerspricht dieser Kritik: „Hansen übersieht, dass dieser Beschluss nur einen von acht Punkten in unserem neuen Gesamtkonzept darstellt. Die sieben übrigen Punkte beschäftigen sich gerade mit der sozialpsychiatrischen Behandlung, nämlich mit der notwendigen Kapazitäts- und Qualitätssteigerung in den kommunalen Wohneinrichtungen.“ Sie fügt hinzu, dass das neue Konzept zwar nicht alle Probleme hinsichtlich psychisch kranker Menschen in Dänemark löse. Es sei jedoch ein wichtiger Schritt. „Die neuen psychiatrischen Abteilungen erfordern eine wesentlich engere Zusammenarbeit zwischen Kommunen und Regionen“, sagte Ellemann.

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Günter Schwarz – 09.04.2017