Christen leben in vielen Ländern gefährlich – das zeigen erneut die schweren Anschläge auf gestrigen Palmsonntag auf zwei Kirchen in Tanta und in Alexandria in Ägypten mit etwa 40 Toten und zahllosen Verletzten, über die wir gestern berichteten.

Die ägyptische Regierung unter Leitung des Präsidenten, Abd al-Fattah as-Sisi, hat noch gestern eine dreitägige Staatstrauer und einen dreimonatigen Ausnahmezustand ausgerufen, da mit weiteren Attentaten auf die christliche Minderheit der Kopten, die etwa 10 Prozent der ägyptischen Bevölkerung ausmacht, angekündigt sind.

Das Auswärtige Amt in Berlin hat heute wegen Anschlagsankündigungen vor Reisen nach Ägypten gewarnt und auch darauf hingewiesen, dass mit Entführungen zu rechnen sei.

Auffällig in muslimischen Staaten ist, dass sie nahezu allesamt kaum eine oder gar keine Trennung zwischen Religion und Staat vornehmen. Die Säkularisierung, also die Trennung von Staat und Religion, die für eine funktionierende Demokratie seit den Zeiten der Aufklärung unabänderlich ist, gibt es dort praktisch nicht und selbst in der Türkei, in der Ata Türk, der Staatsgründer, sie weitgehend durchgesetzt hat, befindet sie sich dank des „Herrn“ Erdoğan im „Rückbau“ und wird über kurz oder lang ganz aufgehoben sein.

Das Problem ist, für viele vermeintlich gläubige Muslims oder die sich dafür halten, ist Toleranz gegenüber Andersgläubigen ein Fremdwort, das in ihrem Wortschatz und Verständnis nicht vorkommt. Sie sind ernsthaft davon überzeugt, sie hätten mit ihrem Glauben an Allah „die Weisheit mit Löffeln gefressen“ und alle Menschen, die nicht an Allah glauben und nach seinen Lehren leben, seien nichts wert.

Was kommunistische Staaten angeht, so haben diese in der Regeln nicht nur „ein Problem“ mit mit den Christen sondern eigentlich mit allen Religionen. Der Kommunismus beruft sich auf den Atheismus, und er setzt auf die Kraft des Menschen unter Führung einer „allwissenden“ Partei. Von daher ist eine Religion mit dem Kommunismus nicht vereinbar und wird als Gefahr und Gegner angesehen. Nach Karl Marx ist Religion „Opium des Volkes“, durch die der Mensch im Hinblick auf die himmlischen Freuden im Kapitalismus ausgebeutet werden kann.

Ein Blick auf christliche Minderheiten rund um den Globus:

Ägypten: Innerhalb eines halben Jahres kamen hier bei mehreren Anschlägen auf christliche Gotteshäuser Dutzende Menschen ums Leben. Eigentlich leben Muslime und Christen in dem Land vergleichsweise friedlich zusammen. Vereinzelt gibt es allerdings Spannungen. Ein Ableger der Terrororganisation Islamischer Staat treibt im Nordsinai sein Unwesen und kündigte in Propagandavideos Angriffe auf Christen an. Im Februar flohen Hunderte ägyptische Christen von dort. Vorangegangen war eine Mordserie an Mitgliedern der religiösen Minderheit. Diese macht zehn Prozent der 94 Millionen Einwohner aus.

Afghanistan: Hier leben nur noch sehr wenige Christen. Die meisten religiösen Minderheiten waren während der Herrschaft der radikalislamischen Taliban zwischen 1996 und 2001 geflohen. Ein Bericht des US-Außenministeriums aus dem Jahr 2009 schätzt die Zahl der afghanischen Christen auf 500 bis 8000. Sie versteckten sich und konvertierten nur heimlich. Ab und zu gibt es Anschläge auf Ausländer, die der Missionierung verdächtigt werden – kirchliche Hilfsorganisationen zum Beispiel. Zuletzt war 2014 in Kabul eine christliche Familie aus Südafrika getötet worden.

China: Das Christentum findet hier starken Zulauf. Manche sprechen von 80 Millionen Christen, aber die Schätzungen gehen weit auseinander. Die Freiheit der Gläubigen ist eingeschränkt, weil die kommunistische Führung die Religion unter Kontrolle halten will. Katholiken müssen sich der staatlichen „Patriotischen Kirche“ anschließen, die den Papst nicht anerkennt. Protestanten sind in der staatlichen Kirche „Drei-Selbst-Bewegung“ organisiert. Viele Chinesen geben sich damit nicht zufrieden und schließen sich in Untergrund- und Hauskirchen zusammen, denen Verfolgung droht.

Indonesien: Hier gibt es mehr als 20 Millionen Christen, für ein asiatisches Land sehr viel. Bei 250 Millionen Einwohnern, davon fast 90 Prozent Muslime, sind sie trotzdem nur eine kleine Minderheit. Eigentlich ist Indonesien für eine vergleichsweise tolerante Lesart des Islam bekannt. In letzter Zeit machen aber auch dort radikale Prediger zunehmend Front gegen Christen. Gegen den christlichen Gouverneur der Hauptstadt Jakarta gingen Hunderttausende auf die Straßen. Ihm wird vorgeworfen, im Wahlkampf den Koran beleidigt zu haben. Deshalb steht er nun auch vor Gericht.

Irak: Christen sind ein fester Bestandteil der irakischen Gesellschaft. Allerdings erleben die Gemeinden seit langem einen Exodus, der die Minderheit immer kleiner werden lässt: Weniger als ein Prozent der Iraker sollen heute noch christlichen Konfessionen angehören. Vor allem radikale sunnitische Gruppen terrorisieren die Christen. So hat die Terrormiliz IS Christen – wie auch Angehörige anderer Religionen – getötet, verschleppt, vertrieben und ihre Einrichtungen zerstört. Die Politik wird zudem von Schiiten und Sunniten dominiert, Christen spielen nur eine Nebenrolle.

Iran: Hier leben etwa 100.000 Christen, 80.000 von ihnen sind armenisch-apostolisch. Laut ihrem Erzbischof Sibouh Sarkissian durfte die Minderheit ihre Religion stets frei praktizieren. Das islamische System geht jedoch vehement gegen jegliche christliche Missionierung vor. Iranischen Muslimen, die durch solche Missionierungen zum Christentum konvertieren, drohen lange Haftstrafen, manchen von ihnen sogar die Todesstrafe.

Nordkorea: Nach Angaben des Koreanischen Christenbunds KCF sind etwa 14.000 Menschen der schätzungsweise 25 Millionen Einwohner Nordkoreas Christen. Verlässliche Angaben über die Größe der katholischen und evangelischen Gemeinden gibt es jedoch nicht. Beobachter halten es für möglich, dass es neben dem KCF auch eine unabhängige kleine Gruppe von Christen gibt. Christliche Gruppen wie das Hilfswerk Open Doors werfen der Regierung vor, Zehntausende Christen in Arbeitslagern gefangen zu halten.

Somalia: Mehr als 99 Prozent der Bevölkerung sind sunnitische Muslime. Die Verfassung sieht persönliche Religionsfreiheit vor, verbietet aber die Verbreitung jeder Religion außer dem Islam. In Folge der italienischen Kolonialvergangenheit in Teilen des Landes wurde um 1900 eine katholische Kirche in der Hauptstadt Mogadischu gegründet. 1989 wurde der italienische Bischof Pietro Salvatore Colombo vor der Kathedrale erschossen. Der Tod des 67-Jährigen wurde nie aufgeklärt. Seit etwa zehn Jahren versucht die Terrormiliz Al-Shabaab einen sogenannten Gottesstaat zu errichten. Für die sunnitischen Extremisten gelten auch moderate Muslime als Ungläubige.

Syrien: Das Christentum ist in Syrien tief verwurzelt. Zahlreiche Klöster und andere kirchliche Einrichtungen zeugen von einer jahrtausendealten Geschichte. Rund zehn Prozent der syrischen Bevölkerung gehören christlichen Konfessionen an. Besonders stark ist die griechisch-orthodoxe Kirche vertreten. Die säkulare Führung des Landes nimmt für sich in Anspruch, Religionsfreiheit zu garantieren. Christen konnten in Syrien lange freier leben als in vielen anderen arabischen Ländern. Wie die gesamte Bevölkerung leiden sie sehr unter dem Bürgerkrieg. Aus Angst vor radikalen muslimischen Extremisten unterstützen viele Christen Staatschef Baschar al-Assad.

Türkei: Das Christentum verbreitete sich vor fast 2000 Jahren im Gebiet der heutigen Türkei. In den letzten 900 Jahren hat sich das zuvor fast ausschließlich von Christen besiedelte Gebiet nach Jahrhunderten des Zusammenlebens beider Religionen zu einem fast ausschließlich von Muslimen bewohnten Gebiet gewandelt. Heute leben noch etwa 100.000 Christen in der Türkei und stellen mit circa 0,2 der Bevölkerung eine religiöse Minderheit dar. Rund 85 Prozent der Christen in der Türkei konzentrieren sich in der Bosporus-Metropole Istanbul. Ab Mitte des 19. bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden die meisten Christen aus dem Gebiet der heutigen Türkei vertrieben oder getötet. Die Vertreibung und teilweise Massenermordung von Minderheitsgruppen erfolgte in mehreren Schritten. Heute werden die Christen in Geschichtsbüchern als Landesverräter beschrieben, die aus wirtschaftlichen Gründen aus der Türkei ausgewandert und im Westen „zum Werkzeug der politischen und religiösen Interessen der dortigen Länder“ geworden seien.

von

Günter Schwarz – 09.04.2017