(Manchester) – Bei einem Terroranschlag bei einer Konzerthalle in der englischen Stadt Manchester sind laut jüngsten Polizeiangaben mindestens 22 Menschen getötet und mehr als 50 weitere verletzt worden. Zunächst hatten die Behörden von 19 Toten gesprochen. Laut Polizei sprengte sich ein Selbstmordattentäter in die Luft. Unter den Todesopfern seien auch Kinder.

Den Angaben zufolge ist noch nicht sicher, ob der Täter allein handelte. Bisher hat sich niemand zu dem Terroranschlag bekannt. Mehrere Augenzeugen sprachen von einer starken Explosion kurz vor Mitternacht (MESZ). Zunächst war berichtet worden, die Explosion habe sich in der Halle selbst ereignet, laut späteren Berichten fand diese aber außerhalb der Halle statt. Auf Bildern und Videos in Sozialen Netzwerken waren Menschen in Panik in der Manchester Arena zu sehen. Unter den Besuchern des Konzerts der US-Popsängerin Ariana Grande waren auch viele Kinder und Teenager.

Innenministerin Amber Rudd sprach in einer ersten Reaktion von einer „barbarischen Attacke“. Diese habe „gezielt einige der Schwächsten in unserer Gesellschaft“ getroffen, so Rudd offenbar unter Verweis auf die vielen Jugendlichen, die das Konzert besuchten.

„Es war chaotisch“

Die Betreiber sprachen von einer Explosion außerhalb der Halle zum Ende des Konzerts, als die Besucher die Halle verließen. „Es gab eine riesige Explosion – man hat sie in der Brust gespürt“, sagte eine Augenzeugin der Nachrichtenagentur Reuters. „Es war chaotisch. Alle rannten und schrien und versuchten nur herauszukommen.“ Eine weitere Frau sagte, sie habe die Detonation beim Verlassen der Arena gespürt. Zahlreiche Jugendliche brachten sich in Hotels in der Umgebung in Sicherheit. Viele Eltern versuchten via Soziale Netzwerke ihre Kinder, die das Konzert besuchten, zu erreichen und in Erfahrung zu bringen, ob sie wohlauf sind. Die Polizei richtete eine Notrufnummer ein:


Polizisten versorgen Menschen nach dem Attentat. Rund 400 Polizisten waren in der Nacht im Einsatz.
Die Explosion ereignete sich laut Augenzeugen, kurz nachdem Grande die Bühne verlassen hatte. Grande ist wohlauf. Stunden nach der Explosion zeigte sie sich in einem Tweet erschüttert:

„Ein Mann sagte: ‚Lauft!‘“

Eine Besucherin verließ gerade gemeinsam mit ihrer elfjährigen Tochter das Konzert, als sich die Explosion ereignete: „Als ich mich umdrehte, machte es bumm. Es war ein gewaltiger Lärm“, schilderte sie die Ereignisse dem TV-Sender Sky News. „Ein Mann sagte: ‚Lauft!‘, dann sind wir gelaufen.“ Draußen habe man Brandgeruch wahrgenommen.


Der Tatort wurde weiträumig abgesperrt. Nach den nächtlichen Rettungsmaßnahmen sichern nun Forensiker Spuren.
Ein 22-jähriger Konzertbesucher sagte, es sei eine Explosion gewesen, „und praktisch alle von der anderen Seite der Halle, woher die Explosion kam, liefen auf uns zu, um zu flüchten“. Auf Videoaufnahmen vom Inneren der Konzerthalle war zu sehen, wie die Menschen mitten in einem Meer pinkfarbener Luftballons schreiend zu den Ausgängen drängten.

Polizei führte kontrollierte Sprengung durch

Die Polizei rief die Bevölkerung auf, den Bereich um die Arena zu meiden, achtsam zu sein und im Verdachtsfall die Anti-Terror-Hotline anrufen. Der Veranstaltungsort sei abgeriegelt. Polizeifahrzeuge und Krankenwagen waren an Ort und Stelle. Die Bahngesellschaft Northern Railway teilte mit, dass der Zugsverkehr zum nahe gelegenen Victoria-Bahnhof, der unter der 21.000 Zuschauer fassenden Arena liegt, vorübergehend eingestellt sei.


Der abgesperrte Tatort in den frühen Morgenstunden
Nach dem Bombenanschlag kündigte die Polizei zudem eine kontrollierte Sprengung in der Nähe der Arena an. „Es wird eine kontrollierte Explosion in den Gärten der Kathedrale geben“, teilte die Polizei in der Nacht über den Kurzmitteilungsdienst Twitter vorsorglich mit, um weitere Panik zu vermeiden.

Mitten in anlaufendem Wahlkampf

Der Anschlag kommt zu einem besonders heiklen Zeitpunkt: In Großbritannien ist derzeit Wahlkampf. Premierministerin Theresa May hat vorgezogene Neuwahlen für den 8. Juni ausgerufen. Sie will nach eigenen Angaben damit ein starkes Mandat für die „Brexit“-Verhandlungen mit der EU bekommen. Politisches Gegner werfen ihr allerdings vor, sie wolle nur ihre aktuelle Popularität in Umfragen ausnützen und wählen, bevor die Folgen des EU-Austritts klar werden.

May drückte noch in der Nacht den Opfern und deren Angehörigen ihr Mitgefühl aus. Auch Mays politischer Hauptrivale, der Chef der Labour-Partei, Jeremy Corbyn, zeigte sich bestürzt. May berief für Dienstag eine Krisensitzung ihres Kabinetts sein. Zugleich wurde der Wahlkampf vorübergehend ausgesetzt.

„Arbeiten alle Einzelheiten heraus“

May betonte: „Wir sind daran, alle Einzelheiten dessen, was von der Polizei als entsetzlicher Terroranschlag behandelt wird, herauszuarbeiten.“ Anhänger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) feierten die Explosion in Manchester in Sozialen Netzwerken. Bisher hat sich niemand zu dem Vorfall bekannt.


Viele Konzertbesucher versuchten, Kontakt zu ihrer Familie aufzunehmen und Freunde, die ebenfalls das Konzert besucht hatten, zu finden
Spontane Hilfe für Konzertbesucher

Nach der Explosion halfen zahlreiche Privatpersonen den verstörten Konzertbesuchern. Anrainer boten Schlafplätze an und Taxifahrer kostenlose Mitfahrgelegenheiten, wie Sky News berichtete. Ein Hotel in der Nähe soll Dutzende Kinder aufgenommen haben.

Noch mehrere Europakonzerte auf Plan

Das Konzert war Teil der „Dangerous Woman“-Tour von Grande – der dritten Tournee des 23-jährigen Popstars, die durch ihre Rolle als Cat Valentine in der High-School-Sitcom „Victorious“ zu einem Teenie-Idol wurde. Grandes aktuelle Tour begann im Februar in Phoenix, Arizona. Nach Manchester waren noch mehrere Konzerte in Europa geplant, darunter in London, Antwerpen, Frankfurt und Paris. Derzeit ist unklar, ob diese wie geplant stattfinden.

Popkonzerte und Nachtclubs waren bereits in der Vergangenheit Ziele von Terrorattacken. Fast 90 Menschen wurden bei einem Konzert der Eagles of Death Metal im November 2015 im Bataclan in Paris getötet. In Istanbul starben 39 Menschen, als ein Schütze in die tanzende Menschenmenge des Reina-Nachtclubs schoss.

Solidaritätsbekundung aus Paris

Bereits in der Früh kamen Solidaritätsbekundungen aus Europa. Die Bürgermeister von Paris und Nizza, die in den vergangenen Jahren Tatort schwerer Terroranschläge waren, drückten nach der Explosion in Manchester ihr Mitgefühl aus. „Heute steht Paris an der Seite Manchesters“, schrieb die Bürgermeisterin der französischen Hauptstadt, Anne Hidalgo, auf Twitter.

von

Günter Schwarz – 23.05.2017