US-Präsident Donald Trump hat in dieser Woche seine erste große Auslandsreise absolviert. Ziele und Forderungen des US-Präsidenten: Kampf gegen den islamistischen Terrorismus, mehr Geld von den NATO-Partnern und ein Bündnis gegen den Iran. Für Aufsehen sorgte Trumps eher rüpelhaftes Auftreten während des NATO-Gipfels. Kann er als Außenpolitiker überzeugen? Oder riskiert er mit seiner Haltung neue Konflikte?

Anne Wills Gäste unternahmen den Versuch, die Außenpolitik des US-Präsidenten zu deuten. Allerdings klappte das nur bedingt – das System „Talkshow“ braucht vermutlich einen neuen Zugang zum Phänomen Trump. Über die Außenpolitik von Donald Trump diskutierten Norbert Röttgen, Klaus von Dohnanyi, Michael Wolffsohn, Susan Neiman und Christoph von Marschall.

Will spielte zu Beginn ein Video von Trumps Rüpelszene ein, als er den Regierungschef von Montenegro rüde zur Seite schubste. Kein Mensch hier kannte bislang den Namen des montenegrinischen Premierministers. Aber viele Menschen kennen inzwischen seinen Gesichtsausdruck, wenn von hinten Donald Trump ankommt – und ihn wenig zart zur Seite schiebt.

Damit wollte er sagen: „Ich bestimme hier die Regeln!“, stellt Marschall fest. – Will: „Nach vorne Rempeln als neuer Stil der amerikanischen Außenpolitik?“ – Röttgen: Ja, „sich vorzurempeln, das ist seine Persönlichkeit.“ Was dann folgte, lässt sich in drei Abschnitte unterteilen. Beginnen wir mit der Apokalypse.

Die Apokalypse trägt das lockige Haar offen und spricht mitunter etwas schrill. Die US-amerikanische Philosophin Susan Neiman beklagte, dass Trump sein Land in der westlichen Wertegemeinschaft isoliere. Die kritiklose Anbiederung an Saudi-Arabien. Die oberlehrerhaft vorgetragene Kritik an den anderen Nato-Staaten. Der desaströse G7-Gipfel in Taormina. „Europa muss nun westliche Werte verkörpern und verteidigen““, sagt Neiman. „Von den Republikanern wird das nicht mehr gemacht.“

Das Problem: Was oder wer genau eigentlich Europa ist, sagt Neiman nicht. Und auch sonst beschränken sich ihre Ausführungen größtenteils auf kurze Feststellungen wie: „Politik kann Trump nicht.“ Das sind Einschätzungen, die derzeit viele Menschen teilen – gerade in Deutschland. Das ist aber alles auch nicht neu. Kommen wir deshalb zur zweiten Teilüberschrift der Sendung: Hoffnung.

Die Hoffnung trägt das graue Haar kurz und gehört fest zum bundesdeutschen Talkshow-Mobiliar. Norbert Röttgen, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, analysierte Trumps ruppigen bilateralen Kurzkontakt mit dem Montenegriner wie folgt: „So ist er, so war er immer, so ist die Persönlichkeit. Und er wird sich auch nicht mehr ändern.“ Deshalb setzt der CDU-Politiker auf das politische System der USA. Justiz, Kongress, Senat.

Röttgen verriet: Wenn er mit republikanischen Abgeordneten spreche, höre er, dass sich derart chaosbeladene Wochen wie zuletzt nicht mehr oft wiederholen dürften. Wie diese Republikaner heißen und wann genau sie sich zu einer möglichen Amtsenthebung Trumps formieren, verrät Röttgen zwar nicht. Unterstützung erfährt er dennoch, etwa aus dem Sessel nebenan. Dort saß Historiker Michael Wolffsohn, auch er hofft auf ein Impeachment-Verfahren – und zitiert eine Umfrage, wonach gerade einmal noch 35 Prozent der US-Amerikaner mit Trump zufrieden seien. Negativrekord. Und Hoffnungsschimmer für seine Gegner.

Blieb in der Abteilung Hoffnung der langjährige Washington-Korrespondent Christoph von Marschall. Trump habe bisher überall seinen Kurs im Vergleich zum Wahlkampf geändert. „Je unzuverlässlicher Trump, desto besser für Europa.“ Marschalls Beobachtung zufolge ist Trumps Handlungsspielraum schon jetzt sehr eingeschränkt.

Der dritte Abschnitt dieser Sendung trug den Titel Hadern – und wurde von allen Gästen immer mal wieder bedient. Röttgen etwa hielt bedrückt fest, dass Trump sich nicht eindeutig zum Bündnisfall-Artikel der Nato bekennen wollte. Stattdessen habe der US-Präsident die Verlässlichkeit der USA bewusst offengelassen. Und das bei der Enthüllung eines Denkmals, das an den bisher einzigen Bündnisfall erinnert – den von den USA 2001 angeführten Afghanistan-Krieg.

Auch Klaus von Dohnanyi, einst Staatssekretär im Auswärtigen Amt und Erster Bürgermeister in Hamburg, fand die Szenen des Nato-Treffens unerhört und machten ihn fassungslos. „Das war eine groteske Unverschämtheit“, wie er die Regierungschefs aufforderte, endlich ihre Schulden zu bezahlen. „Der hat sich vor die hingestellt, als wären sie Deppen. Der Nato-Generalsekretär stand daneben wie sein Butler. Der gehört abgelöst. Der hätte widersprechen müssen, oder zurücktreten, empörte sich von Dohnanyi. Militärisch seien die USA kein verlässlicher Partner mehr. Das Finale der Rubrik Hadern blieb aber der Philosophin Neiman überlassen. Hillary Clinton habe drei Millionen Stimmen mehr bekommen, rief sie tatsächlich.

Michael Wolffsohn: „Das war Ausdruck einer jahrzehntelang aufgestauten Stimmung in den USA. Wir holen denen die Kastanien aus dem Feuer und bekommen einen Tritt in den Hintern. Das war die Quittung für den vulgären und primitiven Antiamerikanismus.“

An dieser Stelle wurde klar, woran die Architektur der Runde krankt. Wenn fünf von fünf eingeladenen Menschen den US-Präsidenten befremdlich bis furchtbar finden, bleibt eine kontroverse Diskussion auf der Strecke. Lediglich Historiker Wolffsohn ließ den ein oder anderen Grauton zu – indem er darauf hinweist, dass auch Deutschland Waffengeschäfte mit Saudi-Arabien mache. Oder als er darauf hinwies, dass man das Atomabkommen mit Iran durchaus kritisch sehen könne.

„Trump ist nun mal gewählter Präsident“, stellte der kluge Dohnanyi gegen Ende fest. „Unsere Runde befasst sich nicht mit dem zentralen Thema.“ Das lautete am gestrigen Sonntag: „Staatsmann oder Sicherheitsrisiko – Kann Donald Trump Außenpolitik?“ Und auch wenn jeder Gast dazu eine Meinung hatte, war der Erkenntnisgewinn gering. Das lag sicher auch an der Fülle vergleichbarer Sendungen. Vielleicht wäre „Fünf für Donald“ mal eine Idee. Oder weniger Gäste, die mehr Redezeit haben.

Einstweilen bleibt als finale Anmerkung ein möglicher Wissensvorsprung für den nächsten Politologen-Stammtisch. Der montenegrinische Premierminister trägt den schönen Namen Duško Marković.

von

Günter Schwarz – 29.05.2017