Sie hat hoch gepokert – und sich am Ende fürchterlich verzockt: Theresa May hat mit ihrer konservativen Tory-Partei die Regierungsmehrheit im britischen Parlament verloren. Auch in Dänemark wurde die Wahl am Donnerstag und die gestrige Stimmenauszählung mit Spannung verfolgt.

Weder die Konservativen noch die oppositionelle Labour-Partei hatten am Freitagmorgen eine Chance, mehr als die Hälfte der 650 Wahlkreise für sich zu gewinnen. Damit steht Großbritannien kurz vor Beginn der Brexit-Verhandlungen über einen EU-Austritt vor einer komplizierten und möglicherweise langwierigen Regierungsbildung. Wenn keine Minderheitsregierung oder Koalition möglich ist, könnte es eine neue Wahl geben.

Mays Herausforderer Jeremy Corbyn , dessen Labour-Partei stark zulegen konnte, forderte die Regierungschefin noch in der Nacht zum Rücktritt auf. Sie habe Stimmen, Sitze und Vertrauen verloren, sagte er. Das sei genug, um „zu gehen und Platz zu machen für eine Regierung, die wirklich alle Menschen dieses Landes repräsentiert.“

May hatte die vorgezogene Wahl im April damit begründet, dass Großbritannien eine „starke und stabile“ Regierung in komplizierten Brexit-Zeiten brauche. Deshalb wollte sie die Regierungsmehrheit ihrer Konservativen im Unterhaus vergrößern. Mays Ziel war es, sich sowohl in ihrer Partei als auch im Land mehr Rückhalt für die Verhandlungen über den EU-Austritt zu sichern.

Harter oder weicher Brexit – das war eine der Fragen

Wie die Trennung von der EU vollzogen werden soll, war eines der Themen im Wahlkampf – aber nicht das dominierende. May steht für einen sogenannten harten Brexit, das heißt, sie stellt die Kontrolle der Grenzen über eine Beteiligung Großbritanniens am europäischen Binnenmarkt.

Labour will einen weicheren Brexit und eng mit der EU zusammenarbeiten. Aber die Entscheidung der Briten vom vergangenen Jahr, aus der EU auszutreten, will auch Corbyn nicht rückgängig machen. Einzig die Liberaldemokraten wollen den Brexit noch verhindern, dies gilt jedoch als aussichtslos.

May hatte sich in der Nacht ebenfalls zu Wort gemeldet, als sie ihren Wahlkreis Maidenhead gewann. Das Land brauche jetzt „mehr als alles andere“ eine Phase der Stabilität, sagte die angeschlagen wirkende Regierungschefin. Wenn ihre Partei die meisten Sitze gewönne, werde sie dafür sorgen, dass es diese Phase gebe.

Dänische Politiker kommentieren die Wahl

Dänemarks Finanzminister Kritian Jensen (Venstre / rechtssoziale Partei) bezeichnete die Wahl bei Twitter als spannend. Er hoffe auf eine Regierungsbildung von Liberaldemokraten und Konservativen und „den klügeren Brexit“.

Pernille Skipper, Fraktionssprecherin der linken Enhedslisten (Einheitsliste), twitterte vergangene Nacht: „Fun Fact: Sieht aus, als ob Labour zum ersten Mal seit 20 Jahren hinzugewinnt. Mit dem am stärksten linksorientierten Kandidaten seit 20 Jahren…“

Dänemarks ehemaliger Innenminister Morten Østergaard von der Radikale Venstre (Radikale Linke) twitterte: „Um die britische Wahl zu entscheiden, braucht es möglicherweise ein Zielfoto. Aber nicht, um zu sehen, dass es kein großer Abend für einen harten Brexit geworden ist. Zum Glück.“

Der ehemalige Außenminister Holger K. Nielsen von der Socialistisk Folkeparti (SF / Sozialistische Volkspartei) twitterte am Morgen: „Eine Katastrophenwahl für May. Ich zweifele daran, dass sie überlebt. Positiv, dass so viele junge sich in der Politik engagiert haben. Mit dem Brexit wird es nicht leichter.“

Der außenpolitische Sprecher den Socialdemokraterne, Nick Hækklerup, twitterte ein Wortspiel – „May got hung in june“, also „May wurde im Juni gehängt.“ „Sie wollte ein stärkeres Mandat, bekam aber Prügel. Labour lieferte besonders bei der Jugend stark ab.“

May bleibt im Amt

Die Premierministerin bleibt zunächst im Amt. Sie kann nun versuchen, mit anderen Parteien ein Abkommen zu vereinbaren, oder sie geht zu Königin Elizabeth II. und erklärt ihren Rücktritt und den ihrer Regierung. In diesem Fall dürfte die Queen Oppositionschef Corbyn auffordern, eine Regierungsbildung zu versuchen.

Die Liberaldemokraten, die von 2010 bis 2015 mit dem konservativen Premier David Cameron regiert hatten, schlossen eine Koalition und einen „Deal“ von vornherein aus. Auch grundsätzlich unterschiedliche Haltungen der Parteien zum Brexit machen eine Zusammenarbeit schwer. Die nationalkonservative protestantische Partei der nordirischen DUP, die 10 Sitze erreichen konnte, zeigte sich allerdings schon in der Nacht bereit, die Konservativen zu unterstützen.

Als May die Neuwahl überraschend ausgerufen hatte, galt noch ein überragender Sieg mit einem Zugewinn von 100 Sitzen für die „Tories“ als wahrscheinlich. Mehrere Fehler im Wahlkampf und die Sicherheitsdebatte nach den Terroranschlägen in London und Manchester hatten die Premierministerin aber in Bedrängnis gebracht. In ihrer Amtszeit als Innenministerin waren rund 19.000 Stellen bei der Polizei gestrichen worden.

von

Günter Schwarz – 10.06.2017