Das Ende der Kieler Woche steht vor der Tür. Für die einen ist das jährliche Volksfest in der Landeshauptstadt die Mega-Party des Jahres – für die anderen eine eher lästige Woche, in der man kaum durch die Innenstadt kommt. Der Kultur-Faktor dieser Woche sei jedenfalls hoch; meinen die Veranstalter. Wenn man Lust hat, könnte man einmal über die Kieler Woche schlendern und sich darüber Gedanken machen, ob sie das ist: unsere Kultur.

Wir haben darüber diskutiert. Nachdem wir die Eröffnung der NordArt besucht haben und nun auch die Kieler Woche hinter uns gebracht haben, müssen wir zugeben: Ja, solche Veranstaltungen gehören durchaus zu unserer Kultur. Dazu gehört ebenso das Festival in Wacken oder die alljährliche „Sommeroper“ in Kiel. Kultur passiert immer dort, wo Menschen zusammen sind. Dass nun Beobachtungen zwischen Fischbrötchen- und Bratwurstbude einige Hinweise auf die, kürzlich in der Politik diskutierte, Leitkultur geben könnten, möchten wir nicht unerwähnt lassen.

Die Bratwurst gehört ebenso zu „unserer Kultur“, wie der Baggersee, ein Besuch einer Kunstausstellung oder die Megaparty, an deren Ende man seiner Freundin beim Kotzen die Haare liebevoll nach hinten hält. Mit diesen Dingen sind wir mehr oder weniger aufgewachsen. Menschen anderer Nationen und Kulturen haben andere Elemente, an die sie von Kindesbeinen an gewohnt sind. In einigen Ländern Afrikas oder Südamerikas mag das gemeinsame Wasserholen ein solcher Faktor sein – oder in Russland der Besuch einer Sauna.

Die Kultur eines Menschen lässt sich also nicht binnen eines „Integrationskurses“ verändern. Unsere Kultur wächst quasi mit uns auf. Wir können uns zurücklehnen und uns Erinnerungen unserer Kindheit in das Gedächtnis rufen – all diese Dinge bestimmen unser heutiges Kulturverständnis. Wen also wundert es, wenn Menschen anderer Nationen andere Erinnerungen haben – und somit auch ein anderes Kulturverständnis.

Während wir also mehrheitlich die Mega-Party an der Förde total super finden, so mag es viele Menschen geben, die dieser Art von „Kultur“ nur sehr wenig abgewinnen können. Nun liegt es an uns, ob wir von anderen Menschen auf Biegen und Brechen verlangen müssen, diese Kultur zu teilen – oder aber ob wir tolerieren, dass jeder Mensch seine individuelle Auffassung von kulturellen Ereignissen hat und pflegt.

Wenn wir nun, erschöpft von der Kieler Woche, nach Hause gehen und an irgendeinem Laternenpfahl einen völlig betrunkenen Jugendlichen beobachten, der sich auf die Schuhe kotzt: Ja, auch das gehört zu unserer „Leitkultur“.

Anna & Michael 24. Juni 2017