Der dänisch-jüdische Schriftsteller, Satiriker und politische Beobachter Meïr Aron Goldschmidt wird am 26.Oktober 1819 in Vordingborg im Süden der Insel Sjælland (Seeland) geboren.

Meïr Aron Goldschmidt war ein dänischer Verleger, Journalist und Schriftsteller mit jüdischem Hintergrund. Goldschmidt wuchs in København in der streng jüdisch-orthodoxen Familie seines Vaters Aron Meyer Goldschmidt und dessen Ehefrau Lea Levinzusammen mit seinen vier Geschwistern Moritz Goldschmidt, Esther Kleinsorg, Julius Goldschmidt und Ragnhild Goldschmidt auf.

Seine Begegnung mit der griechischen klassischen Kultur bewirkte eine Veränderung seiner Haltung auf die Sicht zur Welt und veranlasste ihn, nach Ansätzen der Harmonisierung jüdischen und nichtjüdischen Gedankengutes zu suchen. Besonders beeindruckte ihn die griechische Vorstellung der Nemesis und prägte zahlreiche seiner späteren Werke.

Nach seiner Promotion 1836 gründete er 1837 die „Præstø Amts Tidende“, die 1839 mit dem „Callundborg Ugeblad“ zur „Sjællandsposten“ fusionierte. Diese verkaufte er 1840 und gründete im gleichen Jahr die politische und satirische Wochenschrift „Corsare“n (Der Korsar), in der er unter dem Pseudonym unterschiedlicher Herausgeber den König kritisierte. Dafür wurde er zu sechsmal vier Tagen Gefängnis verurteilt und am 7. Juni 1843 vom Obersten Gericht als der wirkliche Herausgeber unter Zensur gestellt. „Corsaren“ bildet eine bleibende Innovation in der Geschichte des dänischen Journalismus.

Goldschmidt rühmte Søren Kierkegaard wegen seines Entweder – Oder, aber die gegenseitige Freundschaft ging zu Bruch, als „Corsaren“ fortgesetzte Angriffe auf Kierkegaard unternahm – teilweise durch von Kierkegaard selbst provozierte Attacken. Goldschmidt verkaufte 1846 „Corsaren“ und verlegte 1847–1859 die politische Zeitschrift „Nord og Syd“ (Nord und Süd).

Politisch war Goldschmidt anfangs ein Erneuerer der Gesellschaft mit republikanischen Sympathien und Neigungen zu den utopisch-sozialistischen Anschauungen, was ein Novum in der dänischen Literatur war. Jedoch näherte er sich ab den 1850ern einer traditionelleren liberalen Ideologie, so dass seine Versuche, eine politische Rolle als Herausgeber zu spielen, Bezichtigungen des Opportunismus auslösten. Ca. 1860 beendete er seine Laufbahn als Meinungsbildner und konzentrierte sich auf die Literatur.

Seine Literatur zeigt ein Interesse an Metaphysik und Philosophie. Der Roman „En Jøde“ (Ein Jude) beschreibt erstmals Københavns jüdisches Milieu aus der Innenperspektive: Ein teilweise assimilierter Jude wird wegen der Vorurteile seiner Umgebung ausgeschlossen und ist dem Gefühl der Verunsicherung ausgesetzt.

Der große Roman „Hjemløs“ (Heimatlos) beschäftigt sich mit der Vorstellung der Nemesis, ebenso die bedeutenden „Arvingen“ (Die Erben), die erste dänische literarische Bearbeitung des Themas der Scheidung. Besonders wertvoll sind seine Erzählungen und Novellen, die jüdische Charaktere in einer besonderen Mischung von Ironie und von Sympathie beschreiben. Nicht selten wird dabei der Realismus durch eine Spielart des Mystizismus gebrochen.

Aus einer kurzen Ehe mit Hanne Marie Goldschmidt gingen sein Sohn Johannes Goldschmidt (* 1846) und seine Tochter Christine Louise Theodora Goldschmidt (* 1848) hervor.

Der Nachwelt gilt Goldschmidt als ambivalenter Autor. Seine Romane weisen durch lange Passagen reiner Handlungen und Schilderungen von Nebensächlichkeiten Schwachstellen auf, aber in der konzentrierten Form – besonders in den Altersnovellen – erweist er sich als der letzte große dänische Prosaautor der Romantik.

Als Romantiker wendet sich sein Interesse den Problemen zu und er nimmt bestimmte Fragen der Psychologie vorweg, nicht zuletzt die Schriften Henrik Pontoppidans. Als erster dänisch-jüdischer Schriftsteller trug er mit der Schilderung seines Herkunftsmilieus zu einer wachsenden Aufgeschlossenheit zwischen beiden Kulturen bei. Schließlich gilt er als einer der Pioniere des modernen und unabhängigen dänischen Journalismus.

Meïr Aron Goldschmidt verstarb 15. August 1887 im Stadtteil Federiksberg in København.

von

Günter Schwarz – 26.10.2018