(Odense) – Das Fyn-Theater versucht, die Probleme zu verstehen, die in französischen Vororten auftreten können, und weist auf die schlimmsten Folgen hin. Im Mai 2016 beging die 18-jährige Océane im französischen Vorort Égly Selbstmord. Ihre Entscheidung zum Suizid ist unklar, aber sie sendete den Selbstmord absichtlich mit ihrem Handy live, während mehr als 1.000 junge Menschen zuschauten.

Doch was treibt junge Frauen wie Océane dazu, so etwas zu tun? Das Teater Momentum in Odense versucht, in ihrer Aufführung „16:29“ die Antwort zu finden, indem es auf die Geschichte der ersten Frau eingeht, die ihren eigenen Selbstmord live übertragen hat.

„Wir arbeiten gerade an eine Trilogie im Teater Momentum, in der wir daran arbeiten, was jungen Menschen heute in Europa bewegt. Die Selbstmordrate steigt an, und dann ist diese neue Tendenz für junge Leute aufgetreten, ihren Selbstmord live zu streamen, von dem wir den ersten der Frau aufgegegriffen haben, die es getan hat. Wir erzählen ihre Geschichte, so wie sie sie sieht“, sagt Anna Malzer, die Regisseurin.

Amira Jasmina Jensen spielt die Französin Océane.

In der Aufführung des Teaters Momentum wird eineinhalb Stunden lang Océanes Erzählung wiedergegeben, bis sie Selbstmord begeht. Als Océane im Mai 2016 ihrem eigenen Leben ein Ende bereitete, erklärte sie ihren Folgern auf dem Medium „Pericope“, dass sie um 16:29 Uhr etwas Wildes tun würde. Nachdem sie online ging, waren es noch eineinhalb Stunden bis zu dem genannten Zeitpunkt. In dieser Zeit kündigte sie mit keinem Wort an, sich das Leben nehmen zu wollen.

Das Stück ist ein Monolog, in dem Schauspielerin Amira Jasmina Jensen als Océane allein auf der Bühne steht. Anna Malzer betont jedoch, dass es bei der Vorstellung nicht nur um eine Frau und um einen Selbstmord geht. Bei der Aufführung geht es mehr um die Probleme, die junge Frauen in den französischen Vorstädten haben und was eine Frau wie die Océane dazu bringt, im Selbstmord die einzige Lösung ihrer Probleme zu sehen.

„In dieser Aufführung gibt es keinen Selbstmord, denn das interessiert mich nicht“, sagt Anna Malzer. Nach Ansicht des Regisseurin leben die Jugendlichen in den französischen Vororten vom restlichen Frankreich isoliert. Sie brauchen ewig, um aus ihrem Umfeld herauszukommen, weil die Preise für öffentliche Verkehrsmittel und die Benzinpreise ständig steigen und für viele unerschwinglich sind. Daher ist es Arbeitslosen und selbst der Arbeiterklasse nicht möglich, sich ein Auto anzuschaffen, um sich aus dieser Umgebung zu lösen und dem Ghetto-Leben zu entfliehen.

„Konkret lebte Océane unter diesen Umständen in einer der Provinzstädte, die vollständig vom übrigen Frankreich abgeschnitten sind“, sagt Anna Malzer und fährt fort: „Es gibt also einige junge Leute, die sich in einer super-zukunftslosen Welt ohne Chancen befinden, aber wie auf ihren Handys sehr, sehr nahe an einem Traum von etwas Besserem sind. Dieses Zusammentreffen führt zu einer sehr spezifischen Art von jungen Menschen, die sehr wütend, verwirrt und in einer großen Identitätskrise sind. Ich denke, es ist wirklich wichtig, auf die Konsequenzen eines solchen Lebens zu achten.“

Französische Jugendliche in den Vororten befinden sich in einer großen Identitätskrise. Das Teater Momentum möchte sich darauf konzentrieren.

Die Regisseurin hat selbst erlebt, wie es im französischen Vorort Égly, 32 Kilometer südwestlich von Paris an der Vidange, steht. Um mehr über die Probleme zu erfahren, die Frauen in den französischen Vororten haben, ist die Regisseurin Anna Malzer mehrmals nach Égly gereist und hat dort mit jungen Frauen gelebt, die an Océane erinnern. Eine der Reisen dauerte drei Wochen. „Am meisten habe ich mit Mädchen in ihrem Alter gesprochen,“ sagt sie.

Anna Malzer reiste nach Égly, um mehr über die Probleme zu erfahren, die junge Menschen in den französischen Vororten haben.

„Ich war nur in paar Tage mit ihnen zusammen, und dann fingen sie an zu erzählen, wie sie in dieser Stadt fühlten. Sie begannen, fast die gleichen Sätze zu sagen, wie Océane sie sagte, bevor sie ihren Selbstmord beging. Sie gaben dieselbe Beschreibung von der Situation in der Stadt. Dadurch wurde mir bewusst, dass sie, Océane, kein Freak war, sondern sie war eine ganz normale Person“, sagt Anna Malzer.

Erst wollten die Frauen nicht mit ihr sprechen, weil Anna Malzer nach Océane gefragt hatte, aber sie konnte sie letztendlich überreden und sie sahen sich dann sogar das Video von Océane an. „Nachdem sie es angesehen hatten, sagten sie: „Scheiße, es ist gut, dass du diese Show machst, denn das ist unsere Stimme“, sagt Anna Malzer.

Wenn man sich in der Kunst und in den Medien mit Suizid beschäftigt, muss man auf Empfehlungen der WHO (World Health Organization) eingehen und die ethischen Überlegungen und Empfehlungen beim Schreiben einer solchen Aufführung berücksichtogen, wie Anna Malzer es getan hat. „Ich habe mir die Empfehlungen angesehen“, erklärt Anna Malzer.

Die Empfehlungen besagen unter anderem, dass man daran denken sollte, den Überlebenden eine Stimme zu geben.

Die Premiere von „16:29“ im Teater Momentum findet am Samstag, den 26. Januar, statt, und es wird bis zum 20. Februar gespielt.

von

Günter Schwarz – 24.01.2019