(Hørsholm) – Das Dansk Røde Kors (Dänisches Rotes Kreuz) hat einige Kinder im Udrejsecenter (Ausreisezentrum) Sjælsmark in der Kommune getroffen, deren Zustand laut dem Røde Kors Anlass zu „schwerer Unzufriedenheit“ geben.

Mindestens 61 Prozent der Kinder im Ausreisezentrum Sjælsmark bedürfen professioneller psychiatrischer Hilfe. Abgelehnte asylsuchende Familien sitzen zusammen mit ihren Kindern bis zu eineinhalb Jahre und mehr auf engstem Raum in Ellebæk, was das Røde Kors zu der Aussage hinreißt: „Dieses hätten wir nie von Dänemark erwartet!“

Die zuständige Intergrationsministerin, Inger Støjberg (Venstre / Rechtsliberale Partei), die in ihrer Amtszeit schon häufig für ihr Vorgehen gegen „Fremde“ in Dänemark aufgefallen ist, und sich nicht nur Asylbewerbern sondern allen Ausländern gegenüber recht rigoros verhält und bei ihrem Vorgehen durchaus auch mal auf international gültiges Menschenrecht und selbst auf die dänische Gesetzgebung „pfeift“, weist natürlich auch die Kritik des Dansk Røde Kors an Sjælsmark zurück und schiebt die Verantwortung dafür den Eltern der Kinder zu, indem sie behauptet: „Die Eltern nehmen die Kinder als Geisel.“

Daniel Rahmani streckt sich auf dem Bett aus, während er das Spiel auf dem Ipad im Auge behält. Während seines fünfjährigen Lebens lebte er größtenteils in dänischen Asylzentren, und das Udrejsecenter Sjælsmark ist für ihn jetzt das neunte seiner Art. Jedes Mal, wenn er in ein neues Zentrum verlegt wurde, musste er sich von seinen Freunden verabschieden. „Ich vermisse sie“, schluchzt er leise auf dem Bett.

„Die vielen Verlegungen haben den fünfjährigen Jungen geprägt“, sagt sein Vater Wahid Rahmani, der vor sieben Jahren aus dem Iran geflohen ist. Sjælsmark, das von hohen Zäunen umgeben ist und oft von der Polizei aufgesucht wird, hat den Becher überlaufen lassen.

„Der fünfjährige Daniel Rahmini ist ein Fall für einen Psychologen – genau wie seine Mutter und sein Vater. Keiner von ihnen kann nachts gut schlafen“, sagt das Røde Kors.

„Er bekommt Angst, wenn er die Polizei sieht. Er hat schon vorher in seine Hose gepinkelt, weil er immer fürchtet, dass sie uns erwischen könnten und irgendwo hin verschleppen, und er hat eine fürchterliche Angst vor der Dunkelheit“, sagt der Vater Wahid Rahmani und fährt fort: „Zum Beispiel ist er heute Morgen um sieben aufgewacht und hat gefragt, wann es wieder dunkel wird. Ich antwortete ihm, wir haben 12 bis 13 Stunden Zeit, um zusammen etwas machen und zu spielen, aber er ist immer besorgt und kann nachts nur sehr schwer einschlafen.“

So wie Daniel Rahmani geht es den meisten Kindern in Sjælsmark, die aufgrund ihrer Erfahrungen ähnlich empfinden. Ein systematisches Screening des Røde Kors von 56 von insgesamt 154 ambulanten Zentren zeigt, dass bei sechs von zehn Kindern eine psychiatrische Diagnose gestellt werden konnte. Außerdem hat die Hälfte der 11- bis 17-Jährigen Symptome von posttraumatischem Stress, und ein großer Teil der Kinder hat Appetitlosigkeit sowie Probleme mit dem Schlafen und wird von Albträumen geplagt.

Anders Ladekarl, Generalsekretär des Dansk Røde Kors, hält dieses für „massiv unzufriedenstellend“ und erklärt, dass „die Gefahr besteht, dass ihre derzeitigen Symptome chronisch werden“. Auch die Psychologen des Røde Kors, die hinter der Studie stehen, glauben, dass die Ergebnisse so signifikant sind, dass unbedingt etwas getan werden muss. „Es besteht kein Zweifel, dass wir es in Dänemark mit einer Gruppe von Kindern zu tun haben, die es richtig, richtig schlecht haben, und das ist Grund genug, um den wir uns ernstlich Sorgen machen müssen.

Auf der anderen Seite des Innenhofs in einem der anderen gelben Ziegelsteinhäuser von Sjælsmark lebt die Familie Azizi. In einem kleinen Raum hockt der 13-jährige Hrabat Azizi in einer aufrechten Position. Er weist auf den grünen Teppich des Zimmers hin und erklärt, dass er dort die Nacht verbringt.

Der 13-jährige Hrabat Alzizi hat sein ganzes bisheriges Leben in Flüchtlingslagern verbracht.

„Ich habe immer auf dem Boden geschlafen. Das gefällt mir am besten“, sagt er. Wie der 5-jährige Daniel Rahmani hat auch Hrabat Azizi sein ganzes Leben in Asylantenlagern verbracht. In einem Zeltlager für vom Krieg Vertriebene im Irak wurde er geboren und floh von dort mit seiner Familie über das Mittelmeer nach Europa, als der Krieg auch dem Lager näher rückte. „Ich war mein ganzes Leben lang auf der Flucht“, sagt er.

Hrabat Azizi mit seiner Mutter ( vorne rechts) in einem Flüchtlingslager im Irak

Der 13-jährige Junge kam vor drei Jahren nach Dänemark und lebt jetzt seit 11 Monaten in Sjælsmark. Aber das Leben im Ausreisezentrum bereitet ihm Kopfschmerzen, schlaflose Nächte und Stress, erklärt er: „Es ist ein Gefängnis. Das sagt alles. Ich gehe in die Folkeskole (Volkssschule) und erhalte jeden Tag guten Unterrichtet. Darüber freue ich mich und möchte mich bei Dänemark dafür bedanken. Aber sobald ich nach der Schule wieder hierher zurückkomme, geht es mir schlecht, Hier in Sjælsmark gibt es immer Stress, weil es durch die vielen Menschen und vom Schießplatz nebenan immer laut ist, und es ist schwer zu lernen und auch zu schlafen.

Deshalb denkt man viel nach. Man schläft einige Minuten, und kurz darauf wacht man ganz plötzlich auf, und dann beginnen die Gedanken zu kreisen, wobei es immer schlimmer wird. Das ist so seltsam und vieles ist wirr.“

Das Ausreisezentrum Sjælsmark ist eine ehemalige Kaserne, in der Ende 2016 abgelehnte Asylfamilien an einem abgelegenen Ort untergebracht werden.

In Sjælsmark werden abgelehnte Asylbewerber untergebrachtt, die nichts Verbrecherisches getan haben, die aber nach Einschätzung der dänischen Behörden in ihren Heimatländern sicher leben können und deshalb abgeschoben werden sollen.

Die große Mehrheit der Bewohner weigert sich jedoch auszureisen – gerade aus Angst davor, was sie in ihrem Heimatland erwartet. Und zahlreiche können gar nicht ausreisen, weil ihr Heimatland sie nicht akzeptiert und ihnen die Einreise nicht gewährt.

Das Zentrum ist so her- und eingerichtet, dass die Bewohner zum Ausreisen „motiviert“ werden. So können sie nicht selbst kochen, ihre Räume sind sehr dürftig eingerichtet und zumeist heruntergewohnt und die Aktivitäten werden in engen Grenzen gehalten. Integrationsministerin Inger Støjberg lehnt jedoch ab zuzugeben, dass mit den Rahmenbedingungen in dem Lager etwas nicht stimmt.

Sie unterstellt den Eltern, die Kinder als Geiseln halten – „sie können doch reisen“, sagt sie. „Es ist traurig, wenn Kinder missbraucht werden – auch in Sjælsmark. Deshalb tun wir alles, um sicherzustellen, dass die Rahmenbedingungen in Ordnung sind“, fügt sie hinzu. „Und wir tun alles, indem wir geeignete Tages-, Schul- und Freizeiteinrichtungen bereit- und sicherstellen. Aber wir können das Joch der Kinder, dass ihre Eltern sie als Geiseln nehmen, nicht von ihren Schultern nehmen“, sagt Inger Støjberg.

Dem widerspricht Wahid Rahmani, Vater von Daniel Rahmani, entschieden und sagt: „Die Behörden und die Politiker in Dänemark spielen mit dem Leben von Kindern. Ich habe oft davon gehört, dass die Behörden in Dänemark behaupten, dass wir unsere Kinder als Geisel nehmen, aber so ist es nicht. Sie sind es, die unsere Kinder als Geisel nehmen.

Nida, Wahid, Daniel und Maya Rahmani leben seit mehr als zwei Jahren in Sjælsmark.

Auf die Frage, warum gehen Sie nicht einfach in den Iran nach Hause, wenn es ihnen in Sjælsmark so schlecht geht, antwortet Daniel Rahman „Ich kann nicht. Ich habe politische Probleme. Ich habe viele Probleme in meinem Heimatland. Wenn ich also nach Hause gehe, verhaften sie mich und töten mich. 100 Prozent! Wenn ich alleine wäre, würde ich vielleicht nach Hause gehen und mich meinem Schiksal und sogar meiner Hinrichtung fügen, aber ich muss an meine Kinder denken.“

In einem anderen Gebäude in Sjælsmark lebt die achtjährige Lia Fatahi mit ihrer Schwester, ihrer Mutter und ihrem Vater. Es geht ihr auch nicht gut. Sie träumt davon, dass die Familie ihren eigenen Platz zum Leben hat.

Die achtjährige Lia Fatahi sagt, dass sie nachts nicht schlafen kann: „Ich sehe nur die Sterne an.“

Wir können und dürfen hier nichts machen. Ich liebe Essen, aber wir können nicht einmal eigenes Essen zubereiten. Wir können keine Pizza kaufen, und wir können auch nicht zu McDonald’s gehen, weil wir kein Geld haben. Und meine Freunde draußen kann ich nicht besuchen. „Uns geht es sehr schlecht hier. Ich kann nicht einmal richtig schlafen“, sagt sie.

Sjælsmark liegt direkt neben dem Truppenübungsplatz der Høvelte Kaserne. Man kann im Lager sogar die lauten Gefechtsübungen aus dem Gelände gehört. Laut Informationen, die das Røde Kors erhielt führte das dänische Militär im März dieses Jahres an 29 von 31 Tagen Schießübungen durch.

von

Günter Schwarz – 07.04.2019