Als Leser des rechtspopulistischen Blogs „Journalistenwatch“ outete sich u. a. auch ein „christlich-demokratischer“ Prominenter, der CDU-Politiker, Jurist und ehemalige Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen. Er teilte auf Twitter sogar einen Artikel dieses Portals, das systematisch revisionistische, rassistische und antisemitische Inhalte verbreitet. Später löschte Maaßen diesen jedoch kommentarlos.

Auch nach dem Mord an dem hessischen CDU-Landtagsabgeordneten vor seinem Haus am 02. Juni 2019, Walter Lübcke, sind zahlreiche Politiker – und selbst Kommunalpolitiker aus Kleinstädten und gar Dörfern – wie ebenso Schriftsteller und Journalisten täglich weiterhin Zielscheibe von Fake News und Drohungen rechter Gruppierungen und Einzelpersonen über Soziale Medien, die auch nicht vor Morddrohungen zurückschrecken. Insofern werden die Sozialen Medien von Menscbhen, die ihr „rechtes Gedankengut“ hemmungslos verbreiten unverblühmt genutzt, um unsere freiheitliche Demokratie zu gefährden.

So haben beispielsweise vor kurzem „Internet-Trolle“ nicht zum ersten Mal ein Bild des mehrfach mit Literaturpreisen ausgezeichneten slowakischen Schriftstellers und Journalisten Michal Hvorecky verbreitet – darunter die Behauptung, er unterstütze Islamisten. „Es wurde massenweise weitergeteilt, hauptsächlich von Anhängern rechtsextremer Webseiten. Ich habe mir das erste Mal Mühe gegeben, diese Personen anzuschreiben“, erzählt der Stipendiat des Literarischen Colloquiums Berlin und habe damals über 120 E-Mails verschickt.

Die Antworten auf Hvoreckys E-Mails waren ernüchternd: Lediglich zwei haben sich bei ihm entschuldigt, die anderen haben ihn daraufhin aufs Übelste beschimpft. „Der Versuch, mit Argumenten zu reagieren, war ein totaler Misserfolg. Es hat sich bei den Trollen auch die immergleiche Struktur wiederholt: Vladimir Putin sei der Retter der Welt, und der Westen der große Feind.“

Alles und jeder in einer westlichen Demokratie lebende Mensch sei manipuliert – und des ungarischen Präsidenten Viktor Orbán Erzfeind, George Soros, stehe hinter jedem politischen Ereignis, das nicht in dem Weltbild der Rechten passt. Der linksliberale, jüdische US-Milliardär Soros wird als mächtiger Strippenzieher im Hintergrund dargestellt, Putin dagegen, der Demostranten. die für mehr Demokratie in Russand eintreten und die von der Miliz niedergeprügelt und inhaftiert werden, als Heilsbringer – diese Mischung finde man auch auf der Seite „hlvanespravy.sk“. Auf den ersten Blick sieht sie aus wie ein Nachrichtenportal und nicht wie eine Verschwörungswebseite, so Hvorecky.

Das Weltbild aber sei klar: „Der Westen ist der Feind. EU- und Nato-Austritt der Slowakei sind das oberste Ziel, das es mit allen Mitteln zu erreichen gilt.“ Über eine Million Besucher im Monat hat die von Russland finanzierte Seite in des Schriftstellers Heimatland, der Slowakei. Das ist eine ganze Menge in einem kleinen Land mit nur 5.5 Millionen Einwohnern.

Die Slowakei hat mit Zuzana Caputova gerade eine linksliberale, pro-europäische Präsidentin gewählt, als erste Frau auf diesem Posten. Zugleich ist aber die Partei des verurteilten Rechtsextremen Marian Kotleba, der auch Parteichel der ĽSNS, drittstärkste Kraft im Land, ist, bei den Wählern unter 25 sogar die beliebteste Partei überhaupt.

Kotleba gilt als Anhänger des mit dem Dritten Reich verbündeten Slowakischen Staates, und er vertritt diese politische Überzeugung in aller Öffentlichkeit durch seine Reden und sein Verhalten. Er blieb den Gedenkfeiern zum 70. Jahrestag des Slowakischen Nationalaufstandes am 29. August 2014 fern und hängte stattdessen vor dem seinem Amtsgebäude als damaliger Bürgermeister in Banská Bystrica ein Plakat mit der Aufschrift „Yankees go home! Stop NATO!“ auf

Für Hvorecky ist das eine Folge davon, dass die Fake News der Trolle bei jungen Menschen besonders gut ankommen. Einerseits, weil es den Jungen besonders schwer falle, zwischen gut recherchiert und gut erfunden zu unterscheiden. Andererseits, weil sich die jungen Leute heute fast ausschliesslich über Soziale Mediaen informieren. „Die sozialen Netzwerke wie Facebook, Instagramm, WhatsApp usw. schwächen unsere Demokratie. Es sind unglaublich viele Inhalte in Europa rechtsextrem, und es gibt von den Demokraten kaum eine Reaktion darauf. Das bedeutet eine extreme Gefahr auf unser aller Freiheit.

Umgekehrt nutzen aber auch westlich orientierte, liberale Politiker die Sozialen Medien mit Erfolg. Das beste Beispiel dafür ist die erfolgreiche Wahlkampagne der jetzigen slowakischen Präsidentin Caputovas mit dem Slogan: „Das ist paradox – es ist das Gute und das Böse in einem.“

Nicht nur in der kleinen Slowakei, auch in anderen europäischen Ländern sind Fake News ein großes Thema, viele sagen: eine große Gefahr. In Polen, Ungarn und Rumänien werden für Falschmeldungen gerne die innenpolitischen Gegner verantwortlich gemacht. In Bulgarien, Tschechien und im Baltikum ist das vor allem Russland.

Vielen demokratischen Regierungen und Regierungsparteien macht das so große Sorgen. Ein Mittel, der rechten Hetze zu begegnen wäre, den unabhängigen Journalismus in Europa zu unterstützen und schwache Qualitätsmedien wieder stärken. Das sei, glaubt auch Hvorecky, das einzige Mittel, das langfristig gegen Trolle wirken könne. Man müsse „immer wieder die Wahrheit sagen und erklären: Jeder hat recht auf seine eigene Meinung. Aber er hat nicht recht auf seine eigenen Fakten – auch nicht ein US-Präsident mit seinen ,alternativen Wahrheiten‘!“.

von

Günter Schwarz – 13.08.2019