Immer mal wieder werden in den Mooren Norddeutschlands, Dänemarks, Englands und Irlands Leichen gefunden, die dort schon etwas länger lagen und durch chemische Prozesse des Moorbodens natürlich konserviert wurden. Einige dieser Moorleichen sind so intakt, dass sogar Haare und Fingerabdrücke erhalten sind.

Deutschlands bedeutendste Sammlung von Moorleichen findet man in der Ausstellung des schleswig-holsteinischen Landesmuseums Schloss Gottorf in Schleswig. Hier wird auch Deutschlands bekannteste Moorleiche, das „Mädchen von Windeby“ ausgestellt, deren Geschlecht erst später korrigiert werden musste. Eine kanadische Anthropologin hatte bei einer genaueren Untersuchung der Knochen der Leiche festgestellt, dass es sich nicht, wie bisher angenommen, um ein etwa 14 jähriges Mädchen, sondern um einen etwa 16 jährigen Jungen handeln dürfte. Damit zerschlugen sich auch die Spekulationen, die zu dem tragischen Tod des armen Mädchens geführt haben könnten und tausende Besucher der Ausstellung berührten.

Gar keine Zweifel über das Geschlecht, jedoch ebensoviele Rätsel über die Umstände des Todes gibt die Frau von Haraldskær den Wissenschaftlern mit auf den Weg. Die Leiche dieser um die 40 Jahre alten Frau wurde 1835 im Moor von Haraldskær in der Nähe von Skibet gefunden. Lange Zeit kursierten Gerüchte um diese Frau, dass es sich um die sagenumwobene norwegische Königin Gunnhild handeln könne. Diese Gerüchte bewegten auch den damaligen dänischen König dazu, eine mögliche Vikingerkönigin mit gebührenden Ehren zu behandeln. Aus diesem Grunde wird die Leiche, bis heute, in einem Sarg in der St.-Nikolaus-Kirche in Vejle aufgebahrt.

Die Rätsel bleiben. Bei vielen der gefundenen Moorleichen wurden Spuren von massiver Gewalt nachgewiesen. Würgemale, aufgeschnittene Hälser, Stichverletzungen oder eingeschlagene Schädel sind keine Seltenheit bei den Toten aus der Eisenzeit. Dies legt nahe, dass die Toten aus dem Moor entweder hingerichtet, oder sogar geopfert wurden.

Zu dieser Annahme kamen die Archäologen auch bei der Frau von Haraldskær. Die Leiche war bei der Auffindung unter der Wasseroberfläche mit Pfählen an Armen und Beinen an den Boden gepinnt. Auch aus den Gesichtszügen der Toten spricht noch immer schiere Panik. Knochenbefunde beweisen, dass die Frau zu Lebzeiten keiner schweren körperlichen Arbeit nachgegangen ist, es sich somit eventuell um eine Priesterin gehandelt haben könnte, die an der Stätte ihres Wirkens den Göttern geopfert wurde, um ein größeres Leid von der Gemeinde abzuwenden. Die Frau hat etwa 490 vor Christus gelebt… also der vorrömischen Eisenzeit.

Die Möglichkeit, so alten Menschen ins Gesicht schauen zu können, verstehen wir als Privileg. Auch wenn uns die Umstände dieser Tode noch viele Rätsel aufgeben.

Von den über 1.800 gefundenen Moorleichen sind heute nur noch etwa 45 intakt.