Der mysteriöse Tod eines 33-jährigen Piraten erschreckt Häftlinge auf der Fregatte „Esbern Snare“. Die Botschaft steht in engem Kontakt mit den nigerianischen Behörden. Die mutmaßlichen Piraten haben die Familien in Nigeria zu Hause angerufen.

Das Feuergefecht zwischen dem Piratenboot und der dänischen Fregatte im Golf von Guinea ereignete sich vor der Küste Nigerias. Alles deutet darauf hin, dass die vier mutmaßlichen Piraten, die nun die dritte Woche an Bord der „Esbern Snare“ festgehalten werden, in Nigeria wohnhaft sind.

Doch ein sogenanntes Transferabkommen, bei dem das westafrikanische Land die Verdächtigen selbst aufnimmt und strafrechtlich verfolgt, löst die dänischen Probleme kaum. Wenn das passiert, könnte Dänemark viel größere Kopfschmerzen bekommen, warnen mehrere Experten.

„Selbst wenn uns das für manche ein Traumszenario gelingen sollte – sie der Anklage zu übergeben – hören die Probleme damit nicht auf“, sagt Katja Lindskov Jacobsen, Seniorforsker ved Center for Militære Studier på Københavns Universitet (Leitende Forscherin am Center for Military Studies der Universität Kopenhagen. „Dann liegt es in unserer Verantwortung, sicherzustellen, dass die Piraten in den nächsten Jahren unter Bedingungen absitzen, in denen wir als Land bestehen können“.

Das Marineschiff „Esbern Snare! ist in den Golf von Guinea vor der Westküste Afrikas geschickt worden, um Piratenangriffe abzuschrecken. Vor etwas mehr als zwei Wochen gerieten Soldaten des Frømand Corps (Froschmann Korps) in ein Feuergefecht mit mutmaßlichen Piraten, als sie versuchten, das verdächtige Boot zu stoppen.

In einem Motorboot wie diesem – einem sogenannten RHIB – geriet das Frømandskorps (Froschmann Korps) in die Schlacht mit mutmaßlichen Piraten (Archiv) (Foto: Liselotte Sabroe

Seitdem sitzen vier mutmaßliche Piraten an Bord in Gewahrsam, die Leichen von vier weiteren liegen im Kühlraum des Schiffes. Ein Fünfter ist wahrscheinlich ertrunken, nachdem er während des Gefechts über Bord gefallen war. Unterdessen bemühen sich die dänischen Behörden, einen diplomatischen Ausweg aus der Situation zu finden.

Die vier an Bord der „Esbern Snare“ werden wegen versuchten Totschlags angeklagt, weil sie auf die Soldaten des Frømand Corps geschossen haben. Es besteht jedoch das Risiko, dass sie freigesetzt werden müssen, wenn der Auslieferungsvertrag nicht zustande kommt. Die Alternative besteht darin, sie vor ein dänisches Gericht zu bringen. Hier wird befürchtet, dass sie Asyl beantragen und einen dauerhaften Wohnsitz in Dänemark bekommen.

Am Mittwoch verlängerte das Københavns Byrettet (Kopenhagener Stadtgericht) die Haft an Bord bis zum 22. Dezember. Erste Reaktion von Verteidigungsministerin Trine Bramsen (Socialdemokraterne) auf das Feuergefecht und die Inhaftierungen an Bord der Fregatte „Esbern Snare“.

„Die Folter der Piraten liegt in dänischer Verantwortung Ein Auslieferungsabkommen mit Nigeria könnte das Problem verschärfen. Die mutmaßlichen Piraten sind von einem dänischen Marineschiff festgenommen worden. Das bedeutet, dass der dänische Staat dafür verantwortlich ist und dafür sorgen muss, dass grundlegende menschenrechtliche Anforderungen eingehalten werden“, erklärt Peter Vedel Kessing vom Institut for Menneskerettigheder (Institut für Menschenrechte).

„Das bedeutet unter anderem, dass Gefangene oder Personen nicht ausgeliefert dürfen, wenn die Gefahr besteht, dass sie gefoltert oder unmenschlich behandelt werden“, sagt der leitende Forscher. „Dänemark muss daher sicherstellen, dass das Empfängerland diese Anforderungen erfüllt. Der Staat muss schauen, wie die Bedingungen sind und man muss eine Detailvereinbarung haben, auf die man sich in der Praxis verlassen kann“, sagt Peter Vedel Kessing.

Schwierig wird es, wenn die Häftlinge nach Nigeria ausgeliefert werden sollen. „Die Zustände in den Gefängnissen des Landes seien unerträglich“, sagte der Landeschef von Amnesty Nigeria aus der Hauptstadt Abuja. Hinsichtlich der körperlichen Bedingungen in den Gefängnissen und der Lage der Insassen muss noch viel getan werden.

„Wenn also jemand in einem nigerianischen Gefängnis inhaftiert ist, wird er an einen Ort geschickt, der reine Folter ist“, sagt Sean Bakare.

Dänemark war bis 2015 Teil einer internationalen Mission gegen Piraterie im Golf von Aden am Horn von Afrika. Damals nahmen dänische Marineschiffe 295 mutmaßliche Piraten fest – hauptsächlich aus Somalia. Davon wurden 50 unter anderem auf den Seychellen strafrechtlich verfolgt.

„Die Gefängnisse auf den Seychellen waren schließlich überfüllt. Deshalb mussten sie nach Hause nach Somalia überstellt werden. Es sei ein umfassendes Programm geworden, bei dem man sicherstellen musste, dass sie unter angemessenen Bedingungen ihre Strafen in Somalia verbüßen“, sagt Katja Lindskov Jacobsen, die in Zusammenarbeit mit der dänischen Botschaft in Nairobi den Prozess untersucht hat.

Die Ermittlungen ergaben unter anderem, dass einer der ausgewanderten Seeräuber von den Seychellen 2018 im Alter von 33 Jahren starb. Unter mysteriösen Umständen in einem Gefängnis in Hargeisa, Somalia. Der Tod wurde bisher nicht öffentlich gemeldet.

„Später erklärten seine Zellengenossen, dass der Verstorbene trotz seiner Krankheit körperlich misshandelt wurde“, heißt es in dem Bericht. 2015 wurden neun somalische Piraten auf den Seychellen zu langjährigen Haftstrafen verurteilt, nachdem sie von dänischen Streitkräften festgenommen worden waren.

Ob der Mann von dänischen Seestreitkräften festgenommen wurde, weiß das Verteidigungsministerium bis heute nicht. Das Verteidigungsministerium verweist auf das Außenministerium, das noch nicht dazu geäußert hat.

Die Fregatte „Esbern Snare“, die im Golf von Guinea vor der Küste Westafrikas gegen Piraten eingesetzt wird. Foto: Anders Fridberg / Forsvaret

Genau solche Probleme können Dänemark in die Verantwortung nehmen, wenn die vier Häftlinge der „Esbern Snare“ nach Nigeria geschickt werden. „Solange ihnen die Freiheit entzogen ist, ist es grundsätzlich eine dänische Verantwortung dafür zu sorgen, dass ihnen nichts passiert“, sagt Peter Vedel Kessing vom Institut for Menneskerettigheder.

Danmarks Radio Nyheder hat das Außenministerium gefragt, wie Dänemark sicherstellen wird, dass die Rechte der mutmaßlichen Piraten gewahrt werden, wenn sie an Nigeria ausgeliefert werden. „Weitere Angaben zu dem noch in Bearbeitung befindlichen konkreten Fall seien derzeit nicht möglich“, schreibt das Auswärtige Amt in einer schriftlichen Stellungnahme.

Mehr über den Piratenfall erfahren Sie im Podcast Genstart (Restart) von Danmarks Radio Nyheder.

Quelle: Danmarks Radio – übersetzt und veröffentlicht von

Günter Schwarz – 10.12.2021

Fotos: Danmarks Radio