Ein Ehepaar in Höxter soll mindestens zwei Frauen schwer misshandelt und zu Tode gequält haben. Das Hamburger Abendblatt berichtet, die 47-jährige Verdächtige legt ein umfassendes Geständnis ab, während ihr Mann die Vorwürfe bestreitet.

Die Details, die bei den Vernehmungen von Wilfried W. und Angelika B. zu Tage kommen, erschüttern die Kriminalisten: Den Opfern sollen sie die Haare büschelweise vom Kopf gerissen haben. Spurten sie nicht, wurden sie mit einem Kälberstrick an der Heizung gefesselt. Nach Angaben der Ermittler sei bereits 2014 eine zweite Frau umgebracht, ihre Leiche zerstückelt und im Kamin des Gehöfts in Höxter verbrannt worden sein.

Laut derzeitigem Ermittlungsstand soll das Ehepaar seine Opfer über Kontaktanzeigen im Internet kennengelernt haben.

Exzessive Gewaltfantasien und die Suche nach potentiellen Opfern im Internet sind kein Einzelfall

Soziale Medien, Communities und Chatforen bieten unzählige Möglichkeiten, Kontaktanzeigen aller Art aufzugeben. Spin.de gilt seit 15 Jahren als beliebte Anlaufstelle für deutsprachige Internetnutzer. Spin.de versteht sich dabei als Plattform, in der Menschen jeden Alters »vor allem neue Leute kennenlernen und gemeinsam Spaß haben wollen«. Beiträge und Profile sowie Postings werden auf Verstöße gegen die Nutzungsbedingungen stichprobenartig geprüft. Nachdem die 1996 gegründete Community mehrfach wegen des Jugendschutzes in Kritik geriet, wurde ein abgetrennter Bereich installiert, in welchem eine 18+ Altersprüfung vorgenommen wird. Die Inhalte dieses Bereiches beziehen sich überwiegend auf Kontaktanzeigen mit sexuellem Hintergrund.

Spin.de definiert dabei trotzdem in ihren »Hinweise zum Erotik-Bereich«, dass mit dauerhaften Sperren rechnen muss, wer u. A. Sexualpraktiken anpreist, die gegen geltendes Recht oder die guten Sitten verstoßen.

Am 1. Mai meldete eine 25jährige Userin dem Spin.de-Support das Profil eines Mannes, welches exzessive sexuelle Gewalt gegen Personen transportiere.

»Es ist normal auf Spin, dass man immer wieder von SM-Leuten angesprochen wird, die wenig Rücksicht darauf nehmen, dass man mit diesem Fetisch nichts zu tun haben will. Aber das Profil machte mir echt Angst.«

Gemeint war das Profil eines ungepflegt wirkenden Mannes mittleren Alters, der sich selbst »Sadonas« nennt und neben unzähligen aufgelisteten extremen Gewaltfantasien auch explizit nach gleichgesinnten Sadist/innen sucht, mit denen man »Sklavenmenschen haben und nicht nur extrem benutzen« könne.

In ihrer Beschwerde an den Support betont die 25jährige, das Profil des Mannes würde den Eindruck erwecken, die »Grenzen des Erlaubten« deutlich zu überschreiten.

Der Spin-Support teilte der Userin daraufhin in einer Antwort mit, dass das Profil geprüft wurde und »auf dem Erotik-Server in Ordnung« sei. Auf Nachfrage der SH-UgeAvisen erhielten wir von der Pressesprecherin Claudia Zeisel keine Stellungnahme. Der Userin wurde daraufhin jedoch vom Support mitgeteilt, man habe das Profil erneut geprüft, den Fehler bei der ersten Bearbeitung korrigiert und das Profil gesperrt.


Gewaltfantasien im Internet, Screenshot des inzwischen gesperrten Profils auf Spin.de

Die Sperrung des Profils ist für die 25jährige nur ein kleiner Trost:

»Es ist toll, dass der Typ nun doch gesperrt wurde. Aber der ist ja nicht weg. Er lungert dann irgendwo im Internet rum und sucht weiter nach Gleichgesinnten oder Opfern. Da macht man sich echt Gedanken, wie frei man sich im Internet noch bewegen kann.«

Laut Psychologen besteht kein direkter Zusammenhang zwischen BDSM und solchen Gewalttaten

Obwohl BDSM in den letzten Jahren immer mehr gesellschaftlich akzeptiert wird, handelt es sich bei diesem Fetisch letztlich um eine »freiwillige und einvernehmliche« Ausübung von psychischer oder physischer Gewalt. Ob es sich bei den Vorlieben um eine psychische Störung handelt, ist nur schwer festzustellen. SM-Anhänger können, wie viele Anhänger anderer sexueller Orientierungen auch, psychische Probleme haben. Es ist nicht leicht, zu determinieren, ob die SM-Interessen oder -Praktiken ein Problem verursachen, verstärken oder in keinem Zusammenhang damit stehen. Eine seriöse Analyse erfordert eine beträchtliche Kenntnis der SM-Subkultur und des Spektrums der SM- Praktiken.

Auch dem beschuldigten Paar in Höxter ging es bei der Misshandlung nach Überzeugung der Ermittler nicht um sexuelle Motive, sondern darum, »Macht auszuüben«, so Oberstaatsanwalt Meyer.

Die überwiegende Mehrheit der SM-Anhänger ist nicht an Interaktionen mit einem unwilligen Partner interessiert. Die Situation ist der Unterscheidung zwischen Vergewaltigung und konsensuellem Beischlaf ähnlich. Nicht-Vergewaltiger verlieren schnell das Interesse am Beischlaf, wenn der Partner nicht willig ist. Dennoch fallen manche SM-Anhänger durch gewalttätige Handlungen auf, entweder als Teil oder trotz ihrer SM-Neigungen. Eine klinische Frage stellt sich demnach erst, wenn der Ausübende erst durch Zwang am Opfer sexuell oder emotional erregt werden würde. Dieser Faktor ließe sich auch in dem gesperrten Spin.de-Profil ablesen. Da ging es nicht um einvernehmlichen SM-Sex, sondern um die Ausübung exzessiv-roher Gewalt an einem potentiell wehrlosen Opfer. Ebenso wie in Höxter.

von
Michael Schwarz – 04.05.2016