Minister will Gaffer-Fotos verbieten. Ist das nötig, sinnvoll, machbar?
Nach einem schweren Unfall im niedersächsischen Bremerförde behinderten Handy-Knipser die Arbeit der Einsatzkräfte. Innenminister Boris Pistorius (SPD) schlägt vor, einen Gesetzentwurf in den Bundesrat einzubringen, der Gaffer-Aufnahmen untersagt und stößt dabei auf Kritik.
Eine Autofahrerin war in Bremerförde eine Eisdiele gerast. Ein kleiner Junge und ein 65-jähriger Mann starben. Am Rande des Unfalls gerieten zwei Schaulustige mit Polizisten aneinander, weil sie keine Aufnahmen am Unfallort machen durften. Doch Gaffer-Fotos nach Unfällen zu verbieten ist nach Ansicht von Rechtsexperten eine knifflige Sache. Experte Karl-Nikolaus Peifer, Professor für Medienrecht an der Universität Köln, sagt: »Den Menschen das Fotografieren zu verbieten ist faktisch schwierig.« Realistisch sei es zwar, Aufnahmen zu verbieten, die die Menschenwürde verletzen – dies sei direkt am Unfallort jedoch schwer zu entscheiden. Die Veröffentlichung von solchen Bildern könne also sehr wohl verboten werden. Im Falle von Bremerförde liegt zur Zeit ein Foto vor, über das geurteilt werden könne.
Ist »Gaffen« an Unfallorten verboten?
Grundsätzlich nein! Solange Schaulustige die Rettungskräfte nicht behindern oder sich selbst in Gefahr bringen, kann die Polizei nicht gegen Gaffer vorgehen. Die Polizei darf jedoch einen Platzverweis erteilen, wenn eine akute Gefahrensituation vorliegt. Beispielsweise bei Brand- oder Explosionsgefahr.
Ist das Filmen und Fotografieren an Unfallorten verboten?
Auch das Filmen und Fotografieren ist nicht verboten, solange Polizei und Feuerwehr bei der Arbeit nicht gestört werden. Es gibt allerdings das »Recht am eigenen Bild«, welches für Verletzte und sogar Unfalltote gilt. Dieses Recht liegt jedoch beim Fotografierten selbst oder seinen Angehörigen und darf nicht präventiv von der Polizei eingefordert werden. Die Polizei darf also nicht sagen: »Bitte hören sie auf zu fotografieren.« Dafür müsse eine Anzeige der Unfallopfer vorliegen.
Dürfen solche Bilder im Internet verbreitet werden?
Ja und Nein. Zeitungen, Fernsehsendern und bestimmten digitalen Medien wie Youtube-Kanälen und Blogs ist es untersagt Bilder zu zeigen, die die Würde des Menschen verletzen. Mila Yasenko, freiberufliche Fotojournalistin, sagt dazu:
»Fotojournalisten haben eine Art Ehrenkodex. Die veröffentlichen Bilder müssen das Ereignis dokumentieren. Nicht mehr und nicht weniger. Wenn ein Unfall passiert, dann fotografiere ich die Szene. Niemals die Opfer. Leider sind viele der im Internet verbreiteten Gaffer-Fotos das genaue Gegenteil.«
Anya Larssen, Kriegsberichterstatterin für den französischen Nachrichtensender France 24, kritisiert Leute, die Bilder von Opfern im Internet privat verbreiten, scharf:
»Grade bei der Berichterstattung ist es nötig, den Opfern ein Gesicht zu geben, damit die Welt da draußen sieht, was in einem Krisengebiet geschieht. Bei den meisten meiner Bilder und Aufnahmen würde ich aber einer Veröffentlichung niemals zustimmen. Wenn da ein Mensch zerrissen vor dir liegt, dann sollte man ihm nicht auch noch das letzte bisschen Würde nehmen. Für Leute, die so etwas aus privater Sensationsgeilheit ins Internet stellen, empfinde ich tiefe Verachtung!«
Ein Verbot solcher Aufnahmen ist schwer.
Es liegt auf der Hand, dass sich ein gesetzliches Verbot des »Fotografierens an Unfallorten« nur schwer durchsetzen lässt, da es grundsätzlich erst dann zu einer Verletzung des Gesetzes führt, wenn Unfallopfer auf ihr Recht am eigenen Bild pochen. Und das wird bei Unfalltoten selten passieren.
von
Michael Schwarz – 14.05.2016
Die Frage, ob es nötig, sinnvoll und machbar ist, kann ich in allen drei Punkten nur mir „JA“ beantworten, denn was sich gerade bei schweren Unfällen derzeitig auf deutschen Autobahnen und Bundesstraßen abspielt, ist geradezu grotesk, denn Polizei und Rettungskräfte werden von Gaffern mit „gezückten Handys und Kameras“ nicht nur bei ihrer Arbeit behindert, sondern sie werden in nicht wenigen Fällen sogar völlig daran gehindert, ihrer Arbeit nachzukommen und verletzte Unfallopfer schnellst- und bestmöglich zu versorgen. Nur empfindliche Strafen können da zumindest helfen, diesem Unwesen ein Ende zu bereiten.