Mit einem Auto-Korso hat der Unternehmensverband (UV) Mittelholstein gegen die Verzögerungen bei der Sanierung des Kanaltunnels protestiert. Unternehmen seien deshalb abgewandert und Arbeitsplätze verloren gegangen.

Gegen die erneute Verzögerung bei der Sanierung des Rendsburger Kanaltunnels hat der Unternehmensverband (UV) Mittelholstein am Freitag mit einem Auto-Korso protestiert. Der zuständigen Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) wurde in Rendsburg eine Protestnote übergeben. Unternehmen mit 12.000 Mitarbeitern hätten dies unterstützt, sagte UV-Geschäftsführer Michael Thomas Fröhlich.

Die Bauarbeiten dauern immer länger, die Kosten schießen in die Höhe, die Nerven liegen blank. Eine Ärgernis ist die Großbaustelle vor allem für tausende Pendler, die vor dem Tunnel jeden Tag im Stau stehen.

Etwa 400 Personen bildeten eine Menschenkette, die von der Eisenbahnhochbrücke bis zum Schwerlasthafen Rendsburg Port reichte. Zur gleichen Zeit fuhren auf Rendsburger Boden weit mehr als 100 Fahrzeuge im Konvoi und hupend vom Paradeplatz zum Bauhof der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) an der Schleife.

Der Protest der Unternehmer:

In der Protestnote wird im Kern eine erheblich schnellere Sanierung des Kanaltunnels sowie dauerhafter Ersatz für die ausgefallene Schwebefähre gefordert. Die Hauptverantwortlichen der für die Wasserstraße zuständigen Behörde sicherten Gesprächsbereitschaft zu, machten darüber hinaus jedoch keine konkreten Zugeständnisse.

„Wir wollen nicht den Kurs der Konfrontation einschlagen“, sagte Fröhlich vor dem Werkstor der WSV in der Blenkinsopstraße, die mit Lastwagen, Kleintransportern und Pkw zugeparkt war. „Aber was wir bisher erlebt haben, verdient nur eine Antwort: es reicht!“ Rund 70 Fahrer und andere Mitarbeiter von Unternehmen, die dem Chef des Wirtschaftsverbandes buchstäblich gefolgt waren und ihre Fahrzeuge in mehreren Straßen der Schleife abgestellt hatten, applaudierten. Die Unternehmer fordern bis zum Sommer einen verbindlichen Bauzeitenplan für die Weströhre sowie ein Bonus-Malus-System. Firmen, die ihre Aufträge eher als geplant erledigen, sollen eine Prämie erhalten. Bei einem verspäteten Termin werden Strafen fällig. Außerdem müsse eine Arbeitsgruppe gebildet werden, so Fröhlich. Das Gremium aus Vertretern der Kanalverwaltung, der Kommunen und des Unternehmensverbandes soll zweimal im Monat tagen, um den Baufortschritt abzustimmen und die Kommunikation zu verbessern.


Protest auch auf der anderen Seite des Kanals: Mit einer Menschenkette protestierten Rendsburger für die Schwebefähre. Foto: Udo Hallstein
Was die havarierte Schwebefähre betrifft, erneuerten die Unternehmer ihren dringenden Wunsch nach einem dauerhaften Ersatzverkehr. Sollten Kanalamt und Bundesverkehrsminister als oberster Dienstherr keine Verbesserungen auf den Weg bringen, kündigte Fröhlich heftigeren Widerstand noch vor der Sommerpause an. „Dann werden wir zu einer deutlich größeren Protestaktion mobilisieren.“

Für die WSV ergriff Dezernatsleiter Karsten Thode das Wort. Aus Sicht der Behörde seit die Situation „äußerst unangenehm. Wir spüren den Druck tagtäglich“. Man sei bei der Sanierung des Tunnels ein ganzes Stück weiter. Die aus 40 Aktenordnern bestehende Dokumentation sei fertig, jetzt müsse noch der Tüv grünes Licht geben.

Einen Termin für die Eröffnung der Oströhre gibt es laut Thode noch nicht. Auch darüber, ob die Schwebefähre neu gebaut werden muss oder repariert werden kann, sei noch keine Entscheidung gefallen. „Dann fangt doch endlich an damit!“, fiel eine sichtlich genervte Zuhörerin Thode ins Wort. Gegen 14 Uhr löste sich die Versammlung auf – auch am südlichen Kanalrand gingen die Teilnehmer der Menschenkette wieder nach Hause. Das Hupen der Autos war am anderen Ufer klar zu vernehmen und sorgte für Freude. Einige Kapitäne vorbeifahrender Schiffe zeigten sich solidarisch und ließen das Schiffshorn ertönen.

Darum bildeten die Bürger eine Menschenkette:

Ihr Mindestziel ist ein dauerhafter Ersatzverkehr bis zur Instandsetzung  der Schwebefähre. Und vor allem, dass die Schwebefähre auch wirklich in wieder instand gesetzt wird. Ein Ziel wurde nicht erreicht. Die  Menschenkette von der Hochbrücke bis zum Fußgängertunnel kam nicht zu Stande  –  sie endete am Schwerlasthafen –, aber das störte am Ende niemanden. „Das ist ein ganz tolles Signal, ich bin mehr als zufrieden“, sagte der Osterrönfelder Bürgermeister Bernd Sienknecht. Für ihn war es eine Premiere, denn obwohl er im Protestjahr 1968  geboren ist, hatte er noch nie an einer Demonstration teilgenommen.  Bis er den Protestzug als Rädelsführer mit dem Megafon angeführte.

„Wir brauchen hier eine permanente Fährverbindung“, forderte sein Rendsburger Amtskollege Pierre Gilgenast. Auch wenn Berlin weit sei, der Aufschrei der Bürger dürfe nicht ungehört bleiben. In den vergangenen Tagen sei eine Rolltreppe des Fußgängertunnels ausgefallen – genauso wie am besucherstarken Sonntag des Landpartie-Festes – ohne das eine Ersatzfähre bereitgestellt worden wäre. „So schnell kann gar kein Ersatzverkehr bereit gestellt werden. Der flexible Fähr-Ersatzverkehr hat versagt“, sagte Gilgenast. „Unter der jetzigen Situation leidet auch der Tourismus in der Region, von dem wir alle Leben“.

An der Menschenkette nahm auch Günter Sievers teil. Den Unfall der Schwebefähre hat der Fockbeker auf einem selbstgedruckten T-Shirt verewigt. Seinen Protest brachte  er auch auf einem Plakat zum Ausdruck: ,Es reicht, Herr Dobrindt‘, griff er den Bundesverkehrsminister  an. So wie er sind viele Teilnehmer der Menschenkette überzeugt, dass dem bayerischen Minister die Verkehrssituation im Norden egal ist.  Sie fühlen sich vom Rest der Republik abgehängt. „In meinem Bekanntenkreis sagen die ersten bereits, dass sie lieber wieder zu Dänemark gehören wollen. Dann würde das hier  schneller gehen“, sagte er. Eine ähnliche Idee hatte auch Gerd Neumann, wenngleich er an eine andere Himmelsrichtung denkt. „Wenn das Wasser- und Schifffahrtsamt so langsam ist, sollte man die Arbeiten gleich an die Schweiz  outsourcen“, sagte er sarkastisch. Die können Tunnel  einfach besser. Der vor drei Tagen eröffnete Gotthard-Basistunnel ist mit 57 Kilometern der längste Eisenbahntunnel der Welt. Zum Vergleich:  Der Tunnel  unter dem Kanal ist 640 Meter lang.

Internationale Unterstützung gab es auch durch  eine Gruppe von irakischen Flüchtlingen, die sich solidarisch in die Menschenkette eingereiht hatte. „Wir wollen uns damit für die Hilfe bedanken, die wir von euch bekommen haben“, sagte der 14-jährige Khamis.

Einen akustischen Brückenschlag gab es, als der Protest-Autokorso auf der anderen Kanalseite laut hupend  in den Kreishafen einfuhr. Unter dem Jubel der Teilnehmer stimmten die Kanalschiffer in den Protest ein. Auch wenn sie wahrscheinlich nicht wussten, worum es geht, ließen sie ihre Schiffshörner ertönen. Der Protestruf, der von Rendsburg ausgegangen ist, war laut. Jetzt muss er nur noch in Berlin gehört werden.

von

Frank Höfer/Ulrich Hoeck – 04.06.2016