Der Aufmacher-Artikel im Feuilleton der großen deutschen Tageszeitung „Süddeutsche Zeitung“ vom vergangenen Wochenende, mit dem Titel „Licht aus“, war für den geneigten dänischen Leser sicher eine harte Kost. Es war in der linksliberalen Zeitung aus München eine schonungslos kritische Aufarbeitung der neueren politischen Entwicklung in Dänemark zu lesen.

Ein Zitat: „Der Ruf nach dem Militär bzw. der Heimwehr (an die deutsch-dänische Grenze) verdankt sich einem politischen Kalkül. Denn wo die Armee eingesetzt werden muss, da herrscht der nationale Notstand. Dieser bemisst sich nicht daran, wie viele unerwünschte Menschen tatsächlich die Grenze überqueren wollen und was sie danach vorhaben, sondern an einer Idee, der Nation drohe eine unmittelbare Gefahr. Eine solche Vorstellung unterliegt einem Ermessen, in dem der Grad der Gefährdung sich daraus ergibt, was man sich unter einer Nation vorstellt: einen völkischen Zusammenschluss echter Dänen, lautet die Antwort der Dansk Folkeparti (Dänische Volkspartei). Sie ist die zweitstärkste politische Kraft des Landes, und ihren Chauvinismus machten sich vor allem die dänischen Sozialdemokraten zueigen.“

Der Artikel in der Süddeutschen Zeitung ist hart, in einigen Passagen vielleicht auch zu hart und dramatisierend formuliert. Dennoch, dass der Nationalismus in ganz Europa um sich greift, auch in Dänemark, dem ehemaligen Sehnsuchtsland der überwiegenden Mehrheit der Leser der Süddeutschen Zeitung, lässt sich nicht weg diskutieren. Interessant dabei ist, dass der Blick von außen immer ein anderer, oftmals ein kritischerer ist, als der Blick von innen. Viele Dänen würden aus der Binnenperspektive sicher zugestehen: „Ja, wir erleben auch ein neues Nationalgefühl und die Dansk Folkeparti hat mit ihren Themen den politischen Mainstream schon lange übernommen. Aber das ist bei uns natürlich nicht zu vergleichen mit der Situation in Polen oder gar Ungarn.“ Der Journalist der Süddeutschen Zeitung sieht das wiederum ganz anders. Er zeichnet kein schönes Dänemarkbild.

Ich schreibe diese Kolumne noch unter dem Eindruck der Präsidentschaftswahlen in Österreich vom 22. Mai, bei der es noch einmal so gerade und eben „gut gegangen“ ist und der Grüne Alexander Van der Bellen die Nasenspitze vorn hatte. Dennoch ist die Stärke der österreichischen Rechten mit ihrem Kandidaten Norbert Hofer nicht zu verleugnen – und die Alarmzeichen schrillen immer lauter!

Am Freitag, den 3. Juni fand eine Volksabstimmung in Dänemark über die Kooperation mit der EU statt. Eine Mehrheit von gut 53 Prozent hat es abgelehnt, die Kooperation mit der EU in vielen Bereichen fortzusetzen, womit sich die Dansk Folkeparti (Dänische Volkspartei) einmal mehr durchgesetzt hat, die den Staatsminister Lars Løkke Rasmussen (Venstre Parti / links liberale Partei) mit seiner Minderheitsregierung seit der Wahl im Juni 2015 vor sich hertreibt.

Was ist bloß los in Europa? Auch in Frankreich droht ein Durchmarsch der Front National mit Marine Le Pen, das Wahlergebnis der AfD bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und in Baden Württemberg lässt uns auch für die bevorstehende Bundestagswahl im kommenden Jahr in einen braunen Abgrund blicken, der jeden Demokraten das Blut in den Adern gefrieren lässt.

Der kürzlich verstorbene Historiker Fritz Stern hat Jahrzehnte darüber gegrübelt, wie der Zivilisationsbruch in den 20er und 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts sich schleichend durchsetzen und schlussendlich im Horror von Krieg und Holocaust enden konnte. Natürlich will ich keine direkten Vergleiche mit der heutigen Lage ziehen. Doch es ist dringend geboten, dass wir nicht allein die nationalistischen Strömungen in unseren Nachbarländern mit Argwohn betrachten und mit leichter Arroganz, die eigene Unfehlbarkeit hervorkehren. Wir müssen den Blick auf uns selbst richten.

Noch kurz vor seinem Tod hat Fritz Stern ein Interview gegeben und erklärt: „Ich befürchte, dass wir vor einem neuen Zeitalter von Angst und Illiberalität und neuem autoritären System stehen … Dieser Rechtsruck, der mit der Angst zu tun und die rechtsradikalen Kräfte verbreiten ja die Angst und sie handeln ja mit den Ängsten der Menschen. Das ist ist nicht nur infam, das ist sehr gefährlichI Europa geht offenen Auges einer überaus gefährlichen Entwicklung entgegen.“

von

Günter Schwarz – 10.06.2016