Als vor einigen Jahren wegen der fehlenden Gleichstellung der dänischen Minderheitenschulen, ein kleines aber heftiges Unwetter über das sonst eher als Schönwettergebiet bekannte deutsch-dänische Grenzland hinwegfegte, gab es einige Aufregung über die Aussage auf deutscher Seite, man könne und wolle am finanziellen „Wettlauf“ der Minderheitenförderung nicht teilnehmen. Gemeint war die Tatsache, dass Dänemark für die beiden nationalen Minderheiten im deutsch-dänischen Grenzland immer mehr Geld zur Verfügung stellt und damit eine finanzielle „Schieflage“ entstanden sei. Seit der Bonn-Kopenhagener Erklärungen von 1955 suchen die deutsche und dänische Regierung bekanntlich in Minderheitenfragen einen Gleichklang. Die finanzielle „Schieflage“ ist nach dem Abzug des akuten minderheitenpolitischen Schlechtwettergebietes zwar immer noch nicht ausgeräumt – Dänemark bleibt der größere Geldgeber. Doch seit vergangenen Freitag wird eine weitere „Schieflage“ sichtbar, nämlich eine inhaltliche.

Der Landtag in Kiel hat mit der Verabschiedung des „Gesetzes zur Umsetzung des Verfassungsauftrages zur Stärkung der nationalen Minderheiten“ in der inhaltlichen Weiterentwicklung der Minderheitenarbeit einen neuen Schritt getan.

Künftig können Eingaben an die Verwaltung (Anträge, Widersprüche usw.) auch in Dänisch, Friesisch und Niederdeutsch erfolgen. Es wurde die rechtliche Grundlage geschaffen, damit künftig auch minderheitensprachliche Angebote in Kitas gefördert werden können. Neben Orts- und Hinweisschildern erfolgt künftig auch die wegweisende Beschilderung in Nordfriesland in Deutsch und Friesisch. Hierfür wurden 300.000 Euro an Landesmitteln zu Verfügung gestellt.

Das ist ein qualitativ wichtiger Schritt, der auf Initiative des SSW (Südschleswigsche Wählerverband) von einer großen Mehrheit im Kieler Landtag mitgetragen wird. Bis auf die FDP (Freie Demokratische Partei) haben dem alle Parteien zugestimmt. Das ist mit Blick auf den bevorstehenden bzw. bereits begonnenen Wahlkampf – in Schleswig-Holstein wird im Mai 2017 ein neues Parlament gewählt – für die Minderheiten ein beruhigendes Zeichen. Natürlich gibt es Unterschiede in der Auffassung der Parteien, was die konkrete Ausformung der Minderheitenpolitik betrifft. Ferner ist es kein Geheimnis, dass nicht wenige mit Sorge und Skepsis auf die Kosten und die Sinnhaftigkeit einiger Maßnahmen blicken, wie zum Beispiel, die Möglichkeit, Anträge bei Behörden in der Minderheitensprache einreichen zu können, in Frage stellen. Doch am grundsätzlichen Minderheitenkonsens wird in Kiel festgehalten.

Für die Situation nördlich der Grenze, mit Blick auf die deutsche Minderheit, lassen sich aus der politischen Entwicklung ebenfalls interessante Fragen ableiten. Natürlich bleibt die Grundanalyse unverändert: Der deutschen Minderheit geht es in Dänemark gut und die Zusammenarbeit stimmt sowohl auf kommunaler, regionaler als auch staatlicher Ebene. Doch mit der Kieler Entscheidung wächst der Druck auf die staatlichen und kommunalen Entscheidungsträger in Dänemark, nachzuziehen und den nächsten Schritt in einer zukunftsgerichteten Minderheitenpolitik einzuläuten. Die Schwerpunkte hierfür wurden vom Europarat und den Gremien der deutschen Minderheit mehrmals angesprochen. Im Medienbereich fehlt eine Umsetzung, der von Seiten des dänischen Staates eingegangen Verpflichtungen. Es fehlt auch der mehrmals aus Straßburg angemahnte strategische Zugang der dänischen Behörden zur Stärkung der Sichtbarkeit und der Anwendbarkeit der deutschen Sprache im öffentlichen Raum (dazu gehören auch zweisprachige Ortsschilder), und auch im Gesundheitswesen fehlen entsprechende Maßnahmen.

Im Kieler Landtag hat man mit der Entscheidung der letzten Woche zudem (hoffentlich) Schwung in die minderheitenpolitische Diskussion nördlich der Grenze gebracht.

von

Günter Schwarz – 10.06.2016