Dänische und deutsche Männer sind modern und auf Gleichberechtigung bedacht, Männer aus dem Orient sind Machos. – Oder ist es nicht so?

Zu vielen Fragen lassen sich auf Fakten basierende Antworten geben. Bei der Frage nach der inneren Einstellung eines großen Teils der Bevölkerung einer Weltregion zu einem bestimmten Thema wird es schwer bis nahezu unmöglich, nicht unzulässig zu verallgemeinern.

Fakt ist, dass sich in der dänischen wie der deutschen Öffentlichkeit ein Bild orientalischer Männer als im Umgang mit Frauen gewaltbereit und respektlos verbreitet hat.
Doch ist das begründet? Und wer hat ein Interesse daran, dieses Bild zu verbreiten?
Und was ist überhaupt der Orient?

Der Orient

Der Orient war für die alten Römer da, wo die Sonne aufgeht (die Griechen sagten Anatole, Luther übersetzte das in seiner Bibel mit „Morgenland“). Heute streckt sich der als orientalisch bezeichnete Kulturraum von Pakistan über die Türkei und die arabische Halbinsel hinweg über die Sahara bis an die afrikanische Westküste. Das „Morgenland“, wie wir es heute als kulturelle Einheit betrachten, ist ein Hilfskonstrukt, um eine Weltgegend zu beschreiben, die aus nord- und mitteleuropäischer Sicht irgendwie zusammengehört und der „wir“ als „aufgeklärter Westen“, uns überlegen fühlen können. Die Darstellung des Orients als gleichsam mysteriöse wie bedrohliche Welt ist tief in unserer Kultur verankert. Die Darstellung des Orients als fremde Welt habe, so meinte es zum Beispiel der (nicht unumstrittene) amerikanische Literaturkritiker Edward Said, den historischen Zweck gehabt, ihre Kolonialisierung und Ausbeutung zu rechtfertigen. Wie auch immer: In dieser als Orient bezeichneten Weltregion herrscht eine sprachliche, kulturelle und religiöse Vielfalt, die der der christlichen Welt in nichts nachsteht.

Mit Abstand am weitesten verbreitete und dominierende Religion ist der Islam sunnitischer, u. a. in Persien und dem Irak auch schiitischer, Prägung. Ethnisch dominant sind die Araber, von denen rund 200 Millionen im Orient leben und von denen rund 90 Prozent sunnitische Moslems sind.

Selbst wenn alle islamischen Araber aus dem Orient auf einmal nach Europa einwandern würden, wäre das „Abendland“ Europa also noch immer nicht erfolgreich „islamisiert“. Schließlich hat alleine die EU fast 510 Millionen Einwohner.

Der orientalische Mann?

So wie die Rolle und Gleichstellung der Frau in Polen eine andere ist als in Norwegen und in Dänemark eine andere als in Italien, so unterscheiden sich gleichsam die Gesellschaftsmodelle und Traditionen auch im Orient. In der öffentlichen Debatte hierzulande wird dies jedoch nur selten berücksichtigt. Die Schubladen „Moslem“ oder „Südländer“ haben keine Fächer. In sie wird alles hineingestopft, was uns orientalisch-fremd erscheint.

Doch „die Vorurteile, dass patriarchalische Männlichkeiten bloß unter den jungen Migranten zu finden sind, sind faktisch falsch“, sagt zum Beispiel Philipp Leeb, Pädagoge und Journalist aus Wien im „Standard“. Unter Jugendlichen mit Migrationshintergrund seien ebenso vielfältige Männlichkeitsbilder zu beobachten wie unter den Einheimischen. Jugend- und Jungen-Experten wie er sehen ein Problem darin, dass selbst z. B. in Dänemark geborene Jungen „der ewige Migrant“ bleiben, obwohl sie sich selbst als Teil der hiesigen Gesellschaft sehen wollen.

So würden viele Rückhalt in althergebrachten Männlichkeitsbildern suchen. Dies gelte allerdings auch für einheimische Außenseiter und nicht nur für Moslems. Die jungen Männer fühlten sich in ihrer Identität nicht anerkannt und suchten nach Aufmerksamkeit.

Demnach ist nicht die Religion das Problem, sondern der Rückzug auf ein archaisches, hegemoniales Männer-Selbstbild, das es in so ziemlich allen Kulturen gibt (ausgelebt zum Beispiel unter Rockern mit Wikinger-Tattoos und so weiter).

Sexismus ein islamisches Problem?

Für alle, die es noch nicht wussten: Auch das Christentum ist wie das Judentum und der Islam eine orientalische Religion. Wer also das Abendland gegen morgenländische Einflüsse zu verteidigen sucht, ist schlecht beraten, sich dabei ausgerechnet auf das Christentum und eine christliche Leitkultur zu berufen. Die christlichen Lehren sind tief in der orientalischen Kultur und Geschichte verankert. Mit dem Siegeszug des Christentums über Rom in fast ganz Europa hat sich der Orient bereits bei uns breit gemacht. Wir leben nach Werten und Geboten, die uns der Orient gebracht hat. In Antakya (Antiochia), heute im türkisch-syrischen Grenzland gelegen, gab es die erste christliche Gemeinde.

Die deutsche Journalistin Khola Maryam Hübsch schreibt in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: „Das Problem ist (…) nicht der Islam als solcher. Die Beschneidung von Frauen gibt es in afrikanischen Ländern unter Christen, Juden und Animisten ebenso; gleichzeitig kämpfen weltweit muslimische Gelehrte und Organisationen dagegen an. (…) Und Ehrenmorde in Italien, Albanien oder Brasilien unter Christen führen selbst Terre des Femmes zu der Aussage, dass wir es hier nicht mit einem religiösen Phänomen zu tun haben. Dennoch wird der Ehrenmord muslimifiziert und als islaminhärent dargestellt. Sexuelle Belästigungen und Gewalt gegen Frauen seien, so heißt es, vorrangig ein Problem ,islamischer‘ Gesellschaften. Sozialarbeiterinnen von Frauenhäusern bestätigen aber, dass auch bei muslimischen Opfern von häuslicher Gewalt die männlichen Täter Gewaltanwendung nicht mit dem Islam begründen.“ Und dem evangelischen Pressedienst idea sagte sie: „Die neuen alten Ressentiments gegen den muslimischen Mann sind auch Ausdruck eines Kulturchauvinismus, der den Feminismus vereinnahmt, um vom eigenen Sexismus und Rassismus abzulenken.“

Übrigens: Laut Koran dürfen Frauen sich ihren Mann selbst aussuchen und sich auch wieder scheiden lassen. Und: „Das Streben nach Wissen ist eine Pflicht für jeden Muslim – Mann oder Frau“!

von

Schwarz – 16.06.2016