Das IOC hat auf die Untersuchung der WADA (World Anti Doping Agency) mit der Ankündigung „härtest möglicher Sanktionen“ gegen den russichen Sport reagiert. Das Exekutiv-Komitee des IOC will in einer Telefonkonferenz erste Entscheidungen treffen. Russland wird jahrelanges, vom Staat gelenktes Doping zur Last gelegt.

Das Internationale Olympische Komitee will nach den Enthüllungen über staatlich gelenktes Doping in Russland schnellstmöglich über Konsequenzen entscheiden. Noch am Dienstag soll die IOC-Exekutive zu einer Telefonkonferenz einberufen und vorläufige Maßnahmen und Sanktionen im Hinblick auf die Olympischen Spiele in Rio besprochen werden.

„Die Ergebnisse des Berichts zeigen einen schockierenden und beispiellosen Angriff auf die Integrität des Sports und die Olympischen Spiele. Daher wird das IOC nicht zögern, die härtest möglichen Sanktionen gegen jede beteiligte Person oder Organisation zu ergreifen.“

Thomas Bach, IOC-Präsident

Bislang hat der deutsche Thomas Bach einen kompletten Ausschluss Russlands von Olympia abgelehnt.

WADA fordert Ausschluss

Viel Zeit bleibt dem IOC in der Tat nicht, denn in zweieinhalb Wochen beginnen die Olympischen Spiele in Rio. Die unmissverständliche WADA-Forderung ist der Ausschluss Russlands von den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro (5. bis 21. August).

„Die WADA ruft die Sportbewegung auf, den russischen Sportlern die Teilnahme an internationalen Sportereignissen inklusive Rio zu verwehren, bis sich ein Kulturwandel vollzogen hat.“

WADA-Sprecher Ben Nichols auf Twitter

Die Ermittler der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) werfen Russland staatlich gesteuertes Doping vor. Der in Toronto vorgelegte, 97-seitige Untersuchungsbericht führe zahlreiche gravierende Belege für die Verwicklung von staatlichen Stellen in den Sportbetrug auf, sagte WADA-Chefermittler Richard McLaren.

Über Jahre Doping-Proben verschwunden

So seien im Moskauer Anti-Dopinglabor über Jahre hinweg positive Proben verschwunden, um gedopte russische Athleten zu schützen. Insgesamt seien wischen 2012 und 2015 643 positive Doping-Proben russischer Athleten in rund 30 Sportarten verschwunden – und sind damit negativ geworden. Die Ermittlungen hätten zudem gravierende Beweise für die Verwicklung staatlicher Stellen in den Sportbetrug erbracht, sagte WADA-Chefermittler McLaren.

Auch Inlandsgeheimdienst war involviert

Leichtathletik-WM 2013 in Moskau und die Schwimm-WM 2015 in Kasan. Das russische Sportministerium habe die Manipulationen „geleitet, kontrolliert und überwacht“, sagte McLaren. Auch der russische Inlandsgeheimdienst FSB und das Trainingszentrum der russischen Top-Athleten, CSP, seien an den Betrügereien aktiv beteiligt gewesen. McLaren betonte, dass die Untersuchung unabhängig und transparent abgelaufen sei. Der Kanadier war von der WADA mit der Untersuchung betraut worden.

Putin sperrt Offizielle – und kritisiert Einmischung

Der russische Staatspräsident Putin veranlasste als Reaktion auf die Veröffentlichung des McLaren-Reports die vorläufige Suspendierung von Offiziellen, die laut des Berichts an der umfassenden Manipulation beteiligt waren. So wurde der stellvertretende Sportminister Juri Nagornich suspendiert. Der 44-Jährige werde von seinen Aufgaben entbunden, bis die WADA-Vorwürfe geklärt seien, so Regierungssprecherin Natalja Timakowa. Spekulationen, nach denen auch Sportminister Witali Mutko möglicherweise von Maßnahmen betroffen sein könnte, wies Kremlsprecher Dmitri Peskow dagegen zurück. Mutko werde im Bericht nicht als unmittelbar Beteiligter eingestuft.

Putin beklagte aber mit Verweis auf den Olympia-Boykott 1980 in Moskau, dass die aktuelle Situation ein gefährlicher Rückfall von politischer Einmischung in den Sport sei. Die Anschuldigungen gegen russische Athleten basierten aus seiner Sicht zudem auf Beweisen, die von einer Person mit miserabler Reputation stammten – dem Whistleblower Grigori Rodschenkow.

Russland will sich wehren

Russland hatte bereits vor der Vorstellung des WADA-Berichts angekündigt, sich mit allen Mitteln für eine Teilnahme seiner Sportler an den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro einzusetzen. „Es gibt ein ganzes Arsenal an legalen Mitteln für die Verteidigung der Interessen der Sportler, und Russland wird dieses Arsenal bis zum Letzten ausschöpfen“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Montag in Moskau.

Russische Leichtathleten sind wegen massiver Dopingvorwürfe bereits von den Sommerspielen ausgeschlossen. Die Bekämpfung des Dopings sei eine Priorität für Russland, bekräftigte Peskow. Zugleich dürften aber nicht unschuldige Sportler für die Taten anderer bestraft werden.

Tausende Daten ausgewertet

McLaren und sein Team hatten für ihren Bericht tausende Daten und Dokumente ausgewertet, auch gelöschte Dateien seien wiederhergestellt worden, sagte McLaren. Zudem seien Interviews mit Zeugen geführt worden, auch mit Grigori Rodschenkow, dem ehemaligen Chef des russischen Doping-Kontrolllabors. Er gilt als Kronzeuge und hatte die Untersuchung der WADA erst ins Rollen gebracht.

Rodschenkow, der sich inzwischen in die USA abgesetzt hat, habe sich als glaubwürdiger Zeuge erwiesen, sagte McLaren. Der Russe hatte behauptet, dass er in Sotschi positive Dopingproben russischer Athleten zusammen mit der Anti-Doping-Agentur Rusada sowie dem Geheimdienst auf Anordnung des Staates vertuscht habe. 15 der russischen Medaillengewinner in Sotschi seien gedopt gewesen.

von

Günter Schwarz – 19.07.2016