Immer wieder löst Donald Trump im Wahlkampf kleine oder große Eklats aus. Diesmal geht’s um die Nato – er stellt die Hilfsbereitschaft der USA gegenüber Verbündeten in Frage. Selbst Nato-Generalsekretär Stoltenberg reagiert.

Kurz vor seiner ersten Rede als offizieller US-Präsidentschaftskandidat hat Donald Trump mit skeptischen Äußerungen zur Nato-Solidarität erneut Sorge bei Bündnispartnern ausgelöst. Trump sagte in einem Zeitungsinterview, er würde den baltischen Staaten nur bei einem möglichen russischen Angriff beistehen, wenn sie „ihre Verpflichtungen uns gegenüber erfüllt haben“. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sah sich veranlasst, an das in dem Bündnis geltende Solidaritätsprinzip zu erinnern.

Der rechtspopulistische Immobilienmilliardär sollte beim Parteitag der Republikaner in Cleveland im Bundesstaat Ohio seine Nominierung für das Rennen um das Weiße Haus formell akzeptieren. In der Grundsatzrede wollte Trump die Kernbotschaften seiner Wahlkampagne darlegen.

„America first“

In dem Interview der „New York Times“ insistierte Trump, die Fortführung bestehender Abkommen hänge davon ab, dass Verbündete aufhörten, sich auf die Großzügigkeit der USA zu verlassen, die sich das Land nicht länger leisten könne. Trump hatte bereits in der Vergangenheit mit kritischen Äußerungen zur Partnerschaft mit europäischen und anderen Verbündeten für Wirbel gesorgt. Unter dem Motto „America first“ (Amerika zuerst) will er bei allen außen- und sicherheitspolitischen Entscheidungen den US-Interessen, so wie er sie versteht, absolute Priorität geben.

Stoltenberg erklärte, er wolle sich nicht in den US-Wahlkampf einmischen, aber unterstreichen, dass die „Solidarität“ ein „essenzieller Wert“ innerhalb des Bündnisses sei. Diese diene der Sicherheit Europas sowie der Vereinigten Staaten. „Wir verteidigen uns gegenseitig“, betonte der Nato-Generalsekretär in einem Statement.

„Wir vertrauen Amerika“

Estlands Präsident Toomas Hendrik Ilves erklärte daraufhin, die uneingeschränkte Beistandsbereitschaft mache den Kern der Allianz aus. „Wir sind all unseren Nato-Verbündeten gleichermaßen verpflichtet, egal wer es ist“, schrieb Ilves auf Twitter. Er hob hervor, dass Estland einer von fünf europäischen Nato-Staaten sei, die die Vorgabe erfüllten, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung aufzuwenden. Sein lettischer Amtskollege Raimonds Vejonis wollte Trumps Aussagen nicht kommentieren. Über seine Sprecherin ließ er mitteilen, dass alle Bündnismitglieder jüngst beim Nato-Gipfel in Warschau versichert hätten, ihren Verpflichtungen gerecht zu werden.

„Wir vertrauen Amerika, unabhängig davon welchen Präsidenten Amerika hat“, sagte die litauische Staatspräsidentin Dalia Grybauskaite in Vilnius. Washington habe immer Nationen verteidigt, die angegriffen wurden und werde dies auch in Zukunft tun. „Die baltischen Staaten bieten keinen Grund, die Erfüllung ihrer Verpflichtungen gegenüber dem Bündnis in Frage zu stellen“, sagte der litauische Außenminister Linas Linkevicius. Wie andere baltische Spitzenpolitiker tat er Trumps Äußerungen als Wahlkampfrhetorik ab.

Die baltischen Staaten sowie Polen fühlen sich besonders bedroht durch das aggressive Auftreten Russlands, seitdem Moskau im Frühjahr 2014 die bis dahin zur Ukraine gehörende Halbinsel Krim annektierte. Artikel 5 des Nato-Vertrags sieht vor, dass die 28 Mitglieder des Verteidigungsbündnisses sich gegenseitig im Angriffsfall zu Hilfe kommen.

von

Günter Schwarz – 22.07.2016