Deutschland überweist am meisten Geld an die EU – aber den wichtigsten Punkt übersehen viele

  • Die EU veröffentlichte ihre Haushaltszahlen für das letze Jahr im Netz
  • Die zeigen, welche Länder am meisten an die EU zahlen
  • Ganz vorne steht Deutschland – trotzdem gibt es keinen Grund, sich zu beklagen

Die EU hat brisante Haushaltszahlen für 2015 veröffentlicht, Zahlen voll von politischem Sprengstoff. Und keiner hat’s gemerkt.

Die Daten mit all ihrem Kleinklein belegen, welche Länder besonders viel in Fonds und Fördertöpfe einzahlen. Und welche besonders viel herausbekommen.

Vor Wochen schon gingen die Daten online, nur fiel das keinem auf, weil man schon sehr genau suchen muss, wenn man sie finden will, wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ spitz anmerkt. Angeblich legt man bei der EU auch keinen gesteigerten Wert darauf, dass die Zahlen viel diskutiert werden. Weil sie nur Neid und Missgunst fördern.

Welches Land gibt am meisten?

Deutschland war, so ist dem zu entnehmen, der größte Nettozahler. Wieder einmal. Die Bundesrepublik hat also mehr gegeben als zurückbekommen. 14,3 Milliarden Euro. Auf Platz zwei folgt Großbritannien mit 11,5 Milliarden Euro.

Für Rechtspopulisten in beiden Ländern ist das der Anlass, die EU an sich infrage zu stellen. Die Brexit-Befürworter hatten unter anderem damit für den EU-Austritt geworben.

Die Geberländer in der EU im Jahr 2015 (in Millionen Euro)

Welches Land bekommt am meisten?

Am meisten herausbekommen hat Polen mit 9,5 Milliarden Euro, gefolgt von der Tschechischen Republik mit 5,7 Milliarden.

Die Nehmerländer in der EU im Jahr 2015 (in Millionen Euro)

Wie aussagekräftig sind die Zahlen?

Populisten nutzen die Zahlen gern, um zu belegen, dass Deutschland eh nur draufzahlt in der EU. Was sie dabei gerne unterschlagen:

Gemessen an der Wirtschaftsleistung ist Deutschland nicht der größte Geber. Es sind die Niederlande mit 0,54 Prozent. Deutschland folgt mit 0,46 Prozent auf Platz drei. Der größte Nehmer ist Bulgarien mit 5,33 Prozent.

Der Anteil der Zahlungen von und an die EU 2015 nach Anteil an der Wirtschaftsleistung

Sind die Deutschen also die Dummen?

Nein. Je besser es den anderen EU-Ländern geht, desto mehr profitiert Deutschland.

Ist die wirtschaftliche Situation unserer Partner besser, steigt dort die Nachfrage nach Gütern, Deutschland kann mehr dorthin exportieren. Laut Statistischem Bundesamt verkaufte Deutschland 2015 Waren im Wert von 694 Milliarden Euro in andere EU-Staaten. Das ist mehr als in alle anderen Länder der Welt zusammen – und sieben Prozent mehr als noch im Jahr zuvor.

Jeder vierte Arbeitsplatz in Deutschland hängt vom Export ab.

Umgekehrt ist Deutschland ein vergleichsweise rohstoffarmes Land – und deckt seinen Bedarf zumindest zu einem Teil aus anderen EU-Ländern.

Im Jahr 2014 kamen Wirtschaftsexperten zu dem Schluss, dass Deutschland und Dänemark mehr vom EU-Binnenmarkt profitiert haben als alle anderen Staaten.

Die Prognos AG errechnete im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung, dass jeder Deutsche aufgrund der europäischen Integration deutlich mehr verdiente, als wenn es die Entwicklung nicht gegeben hätte: 450 Euro mehr pro Jahr, im Zeitraum von 1992 bis 2012. Hochgerechnet auf alle Deutschen in diesem Zeitraum waren das 779 Milliarden Euro mehr Einkommen.

Entsprechend günstig wirkte sich die EU auch auf das Bruttoinlandsprodukt Deutschlands aus. Zwischen 1992 und 2012 stieg es deswegen jedes Jahr im Durchschnitt um 37 Milliarden Euro.

Deutschland zahlt also sehr, sehr viel. Würde aber ohne EU aber auch viel verlieren. Und das ist nur die wirtschaftliche Seite. Die politische Sicherheit wäre noch einmal ein ganz anderes Thema.

von

Günter Schwarz – 11.08.2016