Ein Konflikt mit Zulieferern zwingt Volkswagen dazu, die PKW-Produktion in Wolfsburg vorübergehend zu stoppen. Von Sonnabend an stehen die Bänder im Stammwerk in Wolfsburg voraussichtlich für neun Tage lang still. In einer internen Mitteilung informierte der Konzern eine Mitarbeiter bereits darüber, wie ein VW-Sprecher am Donnerstagabend bestätigte.

In Emden beantragte VW schon für 7200 Mitarbeiter Kurzarbeit, und womöglich muss der Konzern die Maßnahme noch massiv auf weitere deutsche Werke ausdehnen. Die Rede ist von mehr als 20.000 Mitarbeitern, die am Ende von Kurzarbeit betroffen sein könnten. Auch für die Werke in Braunschweig, Kassel und Zwickau könnte demnächst Kurzarbeit gelten. Für das Volkswagen-Nutzfahrzeuge-Werk in Hannover gibt es solche Pläne bislang noch nicht.

Die Hintergründe der Auseinandersetzung zwischen Volkswagen und zwei Zulieferbetrieben der „Prevent Group“ sind für die Öffentlichkeit noch unklar, da sich die Kontrahenten mit Informationen sehr bedeckt halten. Die Folgen aber sind drastisch, die betroffen ist die Produktion der für VW wichtigen Modelle Golf und Passat.

Der englische Firmenname „Prevent“ hießt im Deutschen „verhinderen“ und das bekommt Volkswagen nun mit aller Kraft zu spüren. Eine der Prevent-Töchter, mit der VW Ärger hat, gehört erst seit Mai zum Konzern. Die zweite wurde im November 2015 übernommen.

Diese zweite Firma ist die ES Automobilguss im sächsischen Schönheide – und genau hier liegt das derzeit wohl größte Problem von VW abseits des Skandals um manipulierte Abgaswerte. Mit weniger als 400 Mitarbeitern fertigt das traditionsreiche Gießereiunternehmen auch Ausgleichgetriebegehäuse. Nach eigenen Angaben beliefert der Betrieb nicht nur VW, zumindest stehen auch andere bekannte Hersteller auf der im Internet einsehbaren Kundenliste.

Die Passat-Produktion in Emden war ins Stocken geraten, weil ein Tochterunternehmen des Mischkonzerns Prevent keine Sitzbezüge mehr geliefert hatte. Jetzt hat ein weiteres Prevent-Tochterunternehmen offenbar die Lieferung eines wichtigen Getriebebauteils eingestellt. Ohne dieses Bauteil könne VW keine Getriebe ausliefern, wie ein Sprecher des Werkes in Kassel sagte, das auf die Fertigung von Getrieben spezialisiert ist. VW prüft demnach derzeit, ob dieses Teil auch von anderen Zulieferern bezogen werden kann.

Lies attackiert Zulieferer im Landtag

Niedersachsens Wirtschaftsminister und VW-Aufsichtsrat Olaf Lies (SPD) attackierte Donnerstag im Landtag die Zulieferer. „Es ist ein unglaubliches und für mich nicht nachvollziehbares Verhalten der Unternehmen“, sagte er vor den Abgeordneten. Die Unterbrechung der Lieferkette sei für den Autobauer eine „schwere Belastung“.

Eine schnelle Lösung des Konflikts ist nicht in Sicht. Die juristische Auseinandersetzung um die fehlenden Getriebeteile geht erst am 31. August in einer mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Braunschweig weiter. VW hatte gegen den Zulieferer, ES Automobilguss aus Sachsen, eine einstweilige Verfügung erwirkt. Da dies aber ohne mündliche Verhandlung geschah, hatte die Firma Möglichkeit zum Widerspruch, über den nun Ende August verhandelt wird. Mindestens so lange dürfte die Lieferung der Getriebeteile ausfallen.

ES Automobilguss wollte sich Donnerstag nicht näher äußern. „Unsere Unternehmensgruppe befindet sich in einer juristischen Auseinandersetzung mit Volkswagen und ist in diesem Zusammenhang auch zur Vertraulichkeit verpflichtet“, sagte Alexander Gerstung aus der Geschäftsführung des sächsischen Betriebes. Gegen die Schwesterfirma von ES Automobilguss, die für VW Sitzbezüge herstellt, habe der Autobauer bereits einen wirksamen Vollstreckungstitel, sagte ein Gerichtssprecher. Auch VW hält sich zu Einzelheiten zurück.

von

Günter Schwarz – 19.08.2016