Schon wieder Maracanã, diesmal triumphiert Brasilien über Deutschland im „Fußball-Wohnzimmer“ von Rio de Janeiro. Der packende Kampf um Gold fand allerdings erst im Elfmeterschießen ein Ende. Brasilien entschied die Lotterie vom Punkt mit 6:5 (1:1, 1:0) für sich.

Pechvogel im deutschen Team war Nils Petersen, der den fünften Elfmeter verschoss. Neymar verwandelte dann entscheidend. Nach regulärer Spielzeit und Verlängerung hatte es 1:1 gestanden. Neymar für Brasilien (27.) und Max Meyer für Deutschland (59.) hatten getroffen. Im Elfmeterschießen trafen Matthias Ginter, Serge Gnabry, Julian Brandt und Niklas Süle souverän, ehe Petersen mit dem fünften Versuch an Brasiliens Keeper Weverton scheiterte. Neymar nutzte dies, um sich mit der letzten „Marke“ zum König von Maracanã zu machen.

„Wir gehen hier als Gewinner raus“, sagte nach dem Spiel Trainer Horst Hrubesch. „Die Jungs haben insgesamt ein hervorragendes Turnier abgeliefert und auch heute wieder überragend gespielt. Und einer muss eben im Elfmeterschießen gewinnen. So ist das“, meinte der Coach.

Viel Arbeit für die Bender-Zwillinge

Horst Hrubesch hatte für das große Finale wieder jene Stammelf auf den Rasen des Maracanã geschickt, die schon das Halbfinale bestritten hatte. Mit Davie Selke als einziger Sturmspitze, Gnabry, Brandt und Meyer dahinter als Dampfmacher und den Bender-Zwillingen im defensiven Mittelfeld, die sich um Superstar Neymar kümmern sollten. Es kam jede Menge Arbeit auf die beiden zu. Denn neben Neymar sorgten auch der Ex-Leverkusener Renato Augusto und vor allem der junge Luan von Gremio Porto Alegre von Beginn an für jede Menge Dampf in Brasiliens zentraler Offensive.

Die erste Torszene hatten vor rund 75.000 Zuschauern dennoch die Deutschen. Gerade einmal zehn Minuten waren gespielt, da legte Gnabry nach kurzem Dribbling ab für Brandt, dessen 20-Meter-Schuss an die Querlatte krachte. Brasiliens Keeper Weverton wäre chancenlos gewesen.

Neymar macht Dampf

Danach aber Brasilien: Neymar und Luan drehten mächtig auf, setzten die deutsche Defensive mit Tempo-Dribblings und schnellem Kombinationsspiel unter Druck. Und verleiteten sie zu Fehlern. Niklas Süle konnte sich in der 14. Minute so gerade noch vor den einschussbereiten Luan werfen, in der 27. Minute rappelte es aber im deutschen Tor. Neymar war halblinks unnötig von Lars Bender gefoult worden, führte den Freistoß 25 Meter vor dem Tor selbst aus. Und wie: Unhaltbar für Keeper Timo Horn flog die Kugel über die Mauer und klatschte von der Unterkante der Latte in den linken Winkel – 1:0.

Querlatte als deutscher Feind

Man musste sich angesichts der brasilianischen Spielfreude bis hierher etwas Sorgen ums deutsche Team machen. Doch dieses bewies nun Nehmerqualitäten. Und riss das Geschehen kurzerhand an sich. In der 31. Minute scheiterte Meyer freistehend 14 Meter vor dem Tor an Weverton, wenige Sekunden später landete die Kugel nach einem Freistoß des kleinen Schalkers abgefälscht an der Querlatte.

Es sollte nicht der letzte deutsche Lattentreffer in Halbzeit eins gewesen sein: Nach Meyers nächstem Freistoß von halbrechts stieg Sven Bender in der 35. Minute am höchsten und köpfte ebenfalls ans Gebälk. Brasiliens Youngster retteten sich so gerade ohne Gegentreffer in die Pause.

Meyer trifft zum 1:1

Was aber nach dem Wechsel nicht mehr lange gelang. Der sehr starke Jeremy Toljan setzte sich in der 59. Minute auf der rechten Seite durch, flankte maßgerecht ins Zentrum, wo Meyer aus 14 Metern trocken ins linke Eck schoss – 1:1. Der Ausgleich war verdient, weil das deutsche Team schon lange die Spielkontrolle übernommen hatte.

Doch Brasilien, das zwischenzeitlich schon erledigt gewirkt hatte, rappelte sich noch einmal auf. Vor allem Renato Augusto startete über rechts so einige Dribblings und Spieleröffnungen, die für Gefahr sorgten. In der 72. Minute brauchte das deutsche Team daher ein wenig Glück, als Luan im deutschen 16er über das ausgestreckte Bein von Süle fiel, der mögliche Elfmeterpfiff vom iranischen Schiri Alireza Faghani aber ausblieb. Fünf Minuten später schoss der wieder aufgewachte Neymar aus 14 Metern knapp links vorbei.

Keine Entscheidung in der Verlängerung

Die Verlängerung musste also her. Allerdings: Beide Teams waren mittlerweile so erschöpft, dass kaum noch zusammenhängende Aktionen zu sehen waren. Eine halbe Chance eröffnete sich noch einmal Brandt (97.), der nach einem feinen Diagonalpass vom eingewechselten Petersen das Tor aber nicht traf. Und in der 106. Minute musste Timo Horn gegen den frei vor ihm auftauchenden Felipe Anderson retten. Das war’s. Das Elfmeterschießen musste über Gold und Silber entscheiden.

Dennoch Glückwunsch der Mannschaft zu Silber – die Hrubesch-Elf hat ein tolles Turnier gespielt und sich die Medaille redlich verdient.

von

Günter Schwarz – 21.08.2016