Der ungarische Premier Viktor Orbán hat sein Land in einen mentalen Kriegszustand gegen Flüchtlinge und gegen die EU versetzt. Er spricht von „Migrationsströmen“, will das christliche Ungarn gegen die Muslime schützen und setzt Flüchtlinge pauschal mit Terroristen gleich. Am 2. Oktober werden die Ungarn über die EU-Flüchtlingsquote abstimmen. Rechtlich ist das Referendum nicht bindend, aber Orbán verspricht sich davon Rückenwind für seine Anti-Flüchtlings-Politik.

In einer Stunde soll es losgehen – hier, im Innenhof der alten, backsteingemauerten Burganlage von Szigetvar im südlichen Ungarn, gedenken die ehemaligen jahrhundertelangen Feinde der Region einer blutigen Belagerung, die im Jahr 1566 genau an dieser Stätte ausgetragen wurde: Eines Kampfes zwischen dem christlichen Abendland und dem islamischen Morgenland.

Gegenüber standen sich vom 6. August 1566 bis zum 8. September 1566 die rund 90.000 Mann starken Truppen des damals mächtigsten Herrschers auf dem südlichen Balkan – Sultan Süleyman des Prächtigen – und die kleine, nicht einmal 3.000 Mann zählende Schar ungarischer und kroatischer Verteidiger von Szigetvar, verlassen, wie so oft in ihrer Geschichte, vom Hause Habsburg und dessen Streitmacht. Nach schweren Kämpfen endete die Belagerung mit der osmanischen Einnahme der Burg. Während der Belagerung starb der osmanische Heerführer, Sultan Süleyman der Prächtige.

Heute hat Ungarns Staatspräsident János Àder seine kroatische Amtskollegin Kolinda Grabar-Kitarovic und – ursprünglich – auch den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan zum Festakt nach Szigetvar eingeladen; Ankara entsandte den stellvertretenden Regierungschef Vevsi Kaynak, der von einer großen Delegation begleitet wird.

Unter hohen, schattenspendenden Ahorn- und Nadelbäumen ist alles aufgebaut, was für einen Festakt dieser Bedeutung vonnöten ist: Rednerpult, übergroße Lautsprecher, drei große Kränze in den Nationalfarben Ungarns, Kroatiens und der Türkei, eine Militärkapelle, sowie eine bunte Schar von Soldaten und Statisten, die in historischen Uniformen und Kostümen neben dem neuen Denkmal Aufstellung bezogen haben, das von einem weiten, weißen Tuch verhüllt wird und den ungarischen und kroatischen Verteidigern von Szigetvar gewidmet ist.

Erinnerung an Abwehrschlacht gegen islamische Großmacht findet Anklang

Einträchtig stehen sie zusammen, die Staatspräsidenten Ungarns und Kroatiens, sowie der türkische Vize-Premier und lauschen dem protokollarisch korrekten Abspielen der Hymen, denn als letzte ertönt diejenige des Gastgebers, in die zahlreiche ungarische Zuschauer des historischen Festaktes einstimmen.

Als Staatspräsident Àder das Wort ergreift, rückt er die Schlacht von damals indirekt in den heutigen Kontext Ungarns, das sich seit Ausbruch der Flüchtlingskrise als das Bollwerk des christlichen Westens gegen islamische Migranten profiliert. Szigetvár sei nicht nur die Grenzburg der Heimat gewesen, sondern auch die letzte Bastion der Werte, die den damaligen Verteidigern wichtig gewesen seien: die Res Publica Christiana, die Christenheit, die europäischen Traditionen.


Der ungarische Staatspräsident Janos Ader stützt den Kurs von Premier Orbán.
Unter den zahlreichen geladenen Besuchern des Festaktes findet die Erinnerung an die damalige Abwehrschlacht Ungarns und Kroatiens gegen die islamische Großmacht vom Bosporus Anklang. Dieser ältere Ungar auf die Frage, wie er die Ansprache seines Staatspräsidenten bewertet:

Die EU könne Ungarn nicht alles vorschreiben

„Der Staatspräsident hat Recht völlig gehabt, mit dem, was er gesagt hat: Dass wir Ungarn vor 450 Jahren Europa verteidigt haben. Und jetzt werden wir auch Europa verteidigen.“

So denkt auch Andrea Katona aus Kaposvár, die mit einer ungarischen EU-Jugendgruppe nach Szigetvar angereist ist. Sie lebe mit Muslimen in Frieden: Wenn sie in der Türkei sei, dann würde sie sich an die dort geltenden Gebräuche und Regeln halten – das Gleiche erwarte sie auch von Muslimen, die in Ungarn lebten. Niemand – auch nicht die Europäische Union – könne Ungarn vorschreiben, ob und wie viele Migranten das Land aufnehmen solle. Deshalb, so Andrea, werde sie mit Sicherheit an dem Referendum teilnehmen, mit dem Ministerpräsident Viktor Orban am 2. Oktober der EU-Aufnahmequote eine eindeutige Absage erteilen lassen will:

„Wir müssen wählen gehen, weil ich nicht mit den politischen Zielen der EU übereinstimme. Die wollen überall hin Migranten verschicken. Ich denke erstens: Jede Nation muss sagen, was sie will. Denn wir sind Mitglied der Europäischen Union, aber die Europäische Union bestimmt nur einen Teil der Regeln, denen ich folgen will. Ich möchte, dass sie die Wünsche unserer Nation akzeptieren, und wie wir leben wollen. Wenn wir in der Lage sind, Menschen aus dem Ausland zu beherbergen, machen wir das – aber: Bitte schubst uns nicht!“

Orbán: „Wir brauchen keine europäische Migrationspolitik“

„Brüssel will, dass wir illegale Einwanderer ins Land lassen. Sagen wir Nein“, fordert ein Radiospot der Regierung. Die Propaganda zum Referendum gegen die Flüchtlings-Quote ist allgegenwärtig. Im Radio, auf großen Plakatwänden hämmert sie den Ungarn diese Botschaft ein: Brüssel will uns Migranten in den Pelz setzen. Das wollen wir nicht. Regierungschef Viktor Orbán nutzt jede Gelegenheit, um zu betonen.

„Ungarn braucht keinen einzigen Migranten. Wer sie braucht, soll sie reinholen, aber nicht uns aufzwingen. Wir brauchen keine europäische Migrationspolitik.“


Die Visegrad-Gruppe sieht sich als Bollwerk gegen die EU-Flüchtlingspolitik.
Laut Quotenregelung müsste Ungarn gerade einmal 1.300 Flüchtlinge aufnehmen. Vor dem Europäischen Gerichtshof klagt Budapest dagegen. Und die nationalkonservative Regierung Orbán setzt auf ein Referendum am 2.Oktober. Auf Plakaten steht die Ansage: „Schicken wir die Botschaft nach Brüssel – damit auch sie verstehen.“ Márta Párdavi vom Budapester Helsinki Komitee meint.

Die Regierungspartei Fidesz hat Konkurrenz von ganz rechts

„Die Botschaften zielen darauf ab, Migranten als Bedrohung darzustellen. Einige Plakatwände sagen: Die Pariser Anschläge wurden von Zuwanderern verübt, und haben 300 Menschenleben gekostet. Andere sagen: Wussten Sie, dass eine Million in Libyen darauf warten, illegal nach Europa zu kommen?“

Die Botschaften sind vor allem ans heimische Publikum gerichtet. Denn: Die Regierungspartei Fidesz hat Konkurrenz von ganz rechts: Die rechtsextreme Partei Jobbik – die hat Orbán durch seine scharfe Rhetorik in der Flüchtlingskrise wieder auf den zweiten Platz in der Wählergunst verwiesen. Viktor Orbán denkt schon an die nächste Parlamentswahl 2018, meint der Budapester Politologe Zoltán Kisszelly.

„Östlich der Elbe finden 80 Prozent der Befragten Migration schlecht. Und empfinden es als eine Gefahr, als eine reale Bedrohung. Deswegen hat die Regierung das als innenpolitisches Thema entdeckt, um die eigene Popularität möglichst über die eigene Wählerschaft hinaus zu bestärken und zu zementieren. Möglichst bis zur Wahl, weil die Migrationskrise wird bis zur Wahl nicht aufhören.“

Regierung in Budapest ist im Dauerwahlkampf

Das bedeutet: Zwischen den Wahlkämpfen gibt es keine Pause mehr – ein typisches Phänomen populistischer Regime. Die Regierung in Budapest hält mit der Plakatkampagne, der populistischen Rhetorik, dem Dauerbrenner Migration in den Medien die Erregungskurve hoch, sie ist im Dauerwahlkampf, beobachtet Márta Párdavi vom Helsinki Komitee:

„Sie ist seit der letzten Parlamentswahl in diesem Kampagnen-Modus. Und es wird viel Aufmerksamkeit und auch Geld dafür verwendet, vor allem den Älteren zu vermitteln, dass diese Regierung die Beste ist. Dass es keine Alternative gibt. Leider ist das so, es gibt keine effektive Alternative in Ungarn. Der Wahlkampf-Modus ist also permanent.“

Orbán setzt Flüchtlinge pauschal mit Terroristen gleich

Dem dienen auch die Spots und Werbeplakate. „Wussten Sie, dass seit Beginn der Flüchtlingskrise mehr als 300 Menschen durch Terroranschläge ums Leben kamen?“, heißt es da etwa. Regierungschef Orbán setzt Flüchtlinge sogar pauschal mit Terroristen gleich.

„Zuwanderung bedeutet: weniger Sicherheit in Europa. Sie holt uns Terroristen auf den Hals. Wer sagt: Da gibt es keinen Zusammenhang, der hat keine Ahnung.“ Es ist ein populistisches Spiel mit der Angst. Aber es funktioniert. Zwei Drittel der Ungarn finden den harten Kurs der Regierung gegenüber den Fremden gut. So wie diese Budapesterin sagt: „Ich bin mit den Maßnahmen der Regierung absolut einverstanden. Man müsste sie dort halten, wo sie geboren sind, der Zaun ist gut.“


Migranten überwinden den Grenzzaun zwischen Serbien und Ungarn bei Röszke – im August 2015.
Und der soll noch verstärkt werden. Orbán setzt auf eine zweite Verteidigungslinie. Gegen eine Völkerwanderung – wie er sagt – von Fremden.

„Wir haben entscheiden, dass die Sperre an der ungarisch – serbischen Grenze verstärkt werden muss. Deshalb werden wir noch einen Zaun errichten, mit modernster Technik. Wir müssen vorbereitet sein, dass die Türkei ihre Politik ändert. Dann werden Hunderttausende Migranten an der Grenze auftauchen. Und wir müssen sie stoppen. Wenn es nicht mit schönen Worten geht, auch mit Gewalt.“

An der Grenze bei Horgos, auf der serbischen Seite des Zauns, haben Migranten ein provisorisches Lager errichtet. Einige Hundert sind es, die sich aus Zeltplanen, Stöcken und Laub provisorische Unterkünfte gebaut haben. Höchstens 15 am Tag dürfen in die sogenannte Transitzone, um einen Asylantrag zu stellen. Familien haben Vorrang. Es gibt lange Wartelisten. Dieser Mann sagt: „Es ist Calais II an der ungarischen Grenze. Nach 800 Tagen, drei Jahren wäre ich dran, wenn jeden Tag einer rein darf. – Wenn.“

Zsuzsanna Zsohár hat viel gesehen im vergangenen Jahr. Sie war Sprecherin von „Migration Aid“. Die Freiwilligen-Organisation half am Ostbahnhof in Budapest, aber auch an der Grenze zu Serbien. Über die Situation heute am Grenzübergang Horgos/Röszke sagt sie: „Praktisch haben wir Calais II an der ungarischen Grenze aufgebaut. Und das ist genau so eine Schande. Sie warten Wochen, Monate darauf, dass sie in die Transitzonen eintreten dürfen, dass sie registriert werden, dass ihr Verfahren abläuft und sie dann einen Platz irgendwo in Europa finden.“


Ein Flüchtling freut sich, Ungarn verlassen zu haben.
Mittlerweile lebt auch Zsuzsanna Zsohár in Österreich. Denn Organisationen, Einzelpersonen, die Flüchtlingen helfen, bekämpft die Regierung. Flüchtlingshelfer werden in der Öffentlichkeit verunglimpft. „Migrantenstreichler“ ist das neue Schimpfwort für sie. Der Budapester Theatermacher Arpad Schilling beschreibt das Klima im Land so.

Zittern vor unwirklichen Menschen und nicht existenten Problemen

„Das Wort Einwanderer ist in Ungarn schon verschwunden. Es gibt nur den ,Migranten‘. Diese Flüchtlingskrise hat so einen Hass selbst bei liberalen Menschen freigesetzt, das ist schauderhaft. Es sind nicht nur die Christlich-Konservativen. Sogar Menschen, die unglaublich liberal, offen und modern sind, zittern jetzt vor unwirklichen Menschen und nicht existenten Problemen. Das heißt: Die Propaganda funktioniert.“

Kübekháza, im Süden Ungarns: Ein kleines, 1.600 Einwohner großes Dorf, erbaut von deutschen Schwaben, die hier Mitte des 19. Jahrhunderts von den Habsburgern angesiedelt worden waren, um der heimischen Bevölkerung den Anbau von Tabak nahezubringen. Die alte Dorfkirche beherrscht die Ansiedlung, gegenüber steht das einstöckige, schmucke Rathaus, vor dem – neben der ungarischen Beschriftung – in kleineren Lettern, die deutsche Bezeichnung zu lesen ist: „Bürgermeisteramt“.

„Wir verschwenden keinen Gedanken an unsere Staatsbürger“

Róbert Molnár ist seit 17 Jahren Bürgermeister von Kübekháza. Der schlanke, grauhaarige Jurist ging nach der politischen Wende Ende der 80er-Jahre in die Politik, wurde 1990 Abgeordneter im freigewählten Parlament, für die „Kleinbauern-Partei“, die Interessensgruppe der landwirtschaftlichen Familienbetriebe, und kehrte nach einer Legislaturperiode der großen Politik in Budapest den Rücken zu, zog zurück in sein Heimatdorf. Róbert Molnár verfolgt das mit großem PR-Aufwand vorbereitete Flüchtlings-Referendum der Regierung Orban sehr skeptisch: „Ich möchte betonen, die innenpolitische Situation, die auf der Flüchtlingsfrage aufbaut, ist eine Kommunikationsstrategie der Regierung. Seit anderthalb Jahren hört man auf den staatlichen Kanälen nur dies: Welch‘ große Gefahr sie bedeuten. Sie kommen her, nehmen uns die Jobs weg, vergewaltigen unsere Frauen, Terroristen kommen mit ihnen, sie werden unser Christentum besiegen und ich weiß nicht, welche Bosheiten sie sich noch ausdenken. Hier wird bewusst Stimmung gemacht.“

Ein Drittel der Ungarn lebt an und unter der Armutsgrenze

Róbert Molnár, ein religiös geprägter Mann von 45 Jahren, verfügt aufgrund seiner langen Erfahrung als Bürgermeister über fundierte Einblicke in die eigentlichen sozialen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Probleme Ungarns. Ein Drittel der Bevölkerung lebe an und unter der Armutsgrenze, ein weiteres Drittel schaffe es gerade so, sich finanziell jeden Monat über Wasser zu halten; die soziale Spaltung des Landes nehme beständig zu – in eine kleine, rasch sehr vermögend gewordene Oberschicht und die restliche Bevölkerung, die keine Aussicht auf einen Aufstieg aus ihrer Misere habe. All dies verschwinde hinter dem großen publizistischen Nebel, den die Regierung mit dem Dauerthema Flüchtlinge verbreite:


Tausende gehen in Budapest gegen die Schul- und Bildungspolitik der Regierung auf die Straße.
„Dieses Referendum zieht die Aufmerksamkeit von den sozialen Problemen ab, von der wirtschaftlichen Lage, von der Bildung, dem Gesundheitswesen. Denn solange es Migration gibt, gibt es einen Feind. Solange verlangt die Gesellschaft darüber keine Rechenschaft von der Regierung, sagt nicht: Was machst Du, Regierung? Du sollst diese Gesellschaft aufrichten, managen, dich den Armen zuwenden. Daran wird kein Gedanke verschwendet. Wenn es keine Migration gäbe, müsste die Regierung Rechenschaft ablegen.“

Terroranschläge in Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise bringen

Recht gut besucht ist an diesem Montagvormittag das Café in der Budapester Innenstadt. Die Kellner, deren Gehalt fast ausschließlich auf Trinkgeldern basiert, dürften zum Ausgleich die Musik abspielen, die sie auch gerne daheim hörten, erklärt Zoltàn Kiszelly. Der agile, Anfang 40-jährige Politologe berät nach eigenen Worten seit fünf Jahren den ungarischen Ministerpräsidenten in europapolitischen Fragen, „auch wenn es um Deutschland geht“, fügt Zoltán Kiszelly grinsend hinzu. Bereits seit anderthalb Jahren setze die Regierung Terroranschläge in Europa in einen Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise.

„Die Regierung hat schon seit den Anschlägen gegen Charlie Hebdo im Januar 2015 das Thema des Terrorismus und der Migration verknüpft, und seitdem schon mehrere Aktionen durchgeführt, um die Ungarn in diesem Thema politisch zu mobilisieren.“

Visegrád-Staaten bilden ein Bollwerk in der EU

Ungarns Ministerpräsident sieht sich als politischer Vorreiter einer europäischen Bewegung, die auf direkten Konfrontationskurs zur Brüsseler und Berliner Flüchtlingspolitik geht. Im Kreis der sogenannten Visegrád-Staaten besteht längst Einigkeit darüber, dass die ehemaligen Ostblock-Länder Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn ein Bollwerk innerhalb der EU bilden, das bei der künftigen Verteilung von Flüchtlingen strikt „Nein!“ sagen wird.


Treffen in Warschau: Polens Ministerpräsidentin Beata Szydlo (von rechts), Bundeskanzlerin Angela Merkel und der slowakische Ministerpräsident Robert Fico.
„Frau Merkel sieht das als moralischen Imperativ. Wir sagen dazu moralischer Imperialismus. Und wann hat die schlechte Erfahrung, wir Ungarn insbesondere. Deutschland hat uns zweimal ins Verderben geführt, Europa auch. Deutschland hat kein drittes Mal das Recht, Europa etwas zu diktieren. Und insbesondere nicht, etwas Schlechtes zu diktieren. Die Übernahme von Millionen von Menschen fremder Kultur, fremder Religion, die dauerhaft bei uns angesiedelt werden sollen, und zwar in einem höheren Maße als die Ursprungsbevölkerung.“

Flüchtlingspolitik: Orbáns Instrument zur Machtabsicherung

Die Flüchtlingspolitik als Instrument zur dauerhaften Machtabsicherung – dieses Kalkül geht für Ungarns Ministerpräsidenten nur dann auf, wenn mehr als die erforderlichen 50 Prozent der Wahlberechtigten am 2. Oktober an dem Referendum teilnehmen, und sich eine Mehrheit davon für das „Nein“ zur Aufnahme von künftigen Flüchtlingen entscheidet, die Ungarn gemäß der Verteilungsquote der EU akzeptieren müsste.

Es hat alles ein wenig den Anschein eines Polit-Drehbuchs aus Hollywood, denn, es komme, so sagt Regierungsberater Zoltán Kiszelly abschließend, ganz auf die Medien an – und die Bilder: „Das hängt davon ab, welche Bilder aus dem Fernsehen bis zum 2. Oktober zu sehen sind: Bilder von Attentaten, von Gewalttaten oder vollen Booten kommen, dann gehen die Leute zur Wahl.“

Der Festakt in Szigetvar geht zu Ende, die Mittagsonne steht stechend heiß am südungarischen Septemberhimmel, geduldig lassen Besucher wie Staatsgäste auch noch den letzten Protokollpunkt über sich ergehen.

Ein einsamer Trompeter in historischer Uniform. Dann ein einzelner Kanonenschuss. Eine kurze Gedenkstunde an historischer Stelle ist vorbei, die Ungarns Staatspräsident Àder eine „Schlacht zur Verteidigung des christlichen Europas“ nannte. Heute, so scheint es, schlägt Ungarns Regierung diese vermeintliche Schlacht erneut, die nicht so viel mit Flüchtlingen zu tun hat, sondern mit der Zementierung der innenpolitischen Macht – und zwar auf Dauer.

von

Günter Schwarz – 23.09.2016