Jahrzehntelang ging die Zahl der Geburten je Frau mit fast jedem Jahrgang zurück. Doch jetzt haben Forscher eine überraschende „Trendwende“ festgestellt. Und sie haben auch eine Begründung dafür. Der Tiefpunkt war mit den Frauen des Jahrganges 1968 erreicht, mit jenen also, die in diesen Monaten 48 Jahre alt werden. Nur 1,49 Kinder brachten sie im Durchschnitt zur Welt, das war der niedrigste jemals gemessene Wert.

Doch mit dem Jahrgang 1970 setzte eine neue Entwicklung ein, die sich immer mehr zur Trendwende auswächst. Das zeigen Berechnungen, die das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) am Freitag veröffentlicht hat. Demnach dürften die Frauen des Jahrgangs 1973 durchschnittlich 1,56 Kinder bekommen. Für die nachfolgenden Jahrgänge rechnen die Forscher sogar mit einem Anstieg auf knapp 1,6 Kinder pro Frau.

„Der Rückgang der Geburtenrate ist gestoppt“, erklärt der BiB-Familienforscher Martin Bujard. „Man kann sogar von einer Trendwende sprechen.“

Enorme Herausforderung für die Sozialsysteme

Eine Entwarnung für Politik und Wirtschaft, die mit den Folgen einer schrumpfenden Bevölkerung kämpfen, ist das allerdings noch lange nicht. Damit die Zahl der Menschen im Land konstant bleibt, müsste jede Frau im Durchschnitt 2,1 Kinder bekommen. Statistiker sprechen von „Ersatzniveau“. Dieses erreichten zuletzt Frauen, die Mitte der 30er-Jahre geboren wurden.

Mütter dieser Generation sorgten mit durchschnittlich bis zu 2,22 Geburten für den sogenannten Babyboom der Nachkriegszeit. Seitdem allerdings ging die Geburtenrate kontinuierlich zurück.

Das stellt die Sozialsysteme vor enorme Herausforderungen. Schon heute ist mehr als jeder fünfte Deutsche über 65 Jahre alt. In 20 Jahren könnte es Schätzungen der Statistiker zufolge schon jeder dritte sein. Das bedeutet hohe Zusatzkosten für die Renten- und Krankenkassen.

Am zuletzt gemessenen Anstieg der Geburtenrate in Deutschland hat nach Ansicht der BiB-Forscher auch die Politik ihren Anteil. „Der Ausbau der Kinderbetreuung hat zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie beigetragen“, sagte Bujard. „Heute wünschen sich wieder mehr Paare Kinder als vor einigen Jahren.“

Allerdings sind es noch lange nicht so viele wie den Nachbarländern. In Frankreich, das im Europäischen Vergleich seit Jahrzehnten einen Spitzenplatz bei den Geburtenraten belegt, bekam eine im Jahr 1969 geborene Frau im Durchschnitt zwei Kinder. Allerdings bleiben auch hier die Rekordwerte von über 2,5 aus den Jahrgängen der 1930er seit Jahrzehnten unerreicht.

Jedes fünfte Baby hat eine ausländische Mutter

Auch in Schweden, der Tschechischen Republik und Ungarn sagen bis heute viele Frauen „ja“ zu Kindern. Frauen des Jahrgangs 1969 brachten hier im Durchschnitt knapp zwei Babys zur Welt. In der Schweiz und Österreich liegen die Werte mit 1,65 und 1,61 bereits deutlich niedriger. Und ausgerechnet das als besonders kinderfreundlich bekannte Spanien bewegt sich auf dem niedrigen deutschen Niveau. Dort stand zuletzt bei den Müttern des Geburtsjahrgangs 1953 eine zwei vor dem Komma.

In Deutschland meldeten die Statistiker zuletzt ein kräftiges Plus bei Babys von Müttern mit ausländischer Staatsangehörigkeit. Sie brachten 2015 hierzulande 148.000 Babys zur Welt. Damit hatte jedes fünfte Neugeborene eine ausländische Mutter – so viele wie nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik.

Insgesamt wurden im Jahr 2015 nach Angaben des Statistischen Bundesamts in Wiesbaden rund 738.000 Kinder in Deutschland geboren. Im Vergleich zum Vorjahr war das ein Plus von 22.650 Babys. Dazu trugen mit plus 17.000 Kindern vor allem die Ausländerinnen bei. Die Zahl der Geburten unter den deutschen Frauen dagegen stieg lediglich um 5370 auf insgesamt knapp 590.000.

von

Günter Schwarz – 01.10.2016