Das Web ist zwar weltweit aber seine Anfänge liegen in den USA. Und deshalb hatten die USA bis zuletzt die Aufsicht über eine Kernfunktion: die Zuteilung von Namen und Adressen im Internet. Das ändert sich jetzt aber. Die USA verlieren die Aufsicht über Adressvergabe im Netz.

Für das Internet bricht ein neues Zeitalter an. Es geht um das zentrale Telefonbuch, betrieben von der Organisation ICANN. Sie verknüpft Nummern mit Internetadressen und verwaltet die Endungen wie .com oder .org. Bislang machte sie das im Auftrag der US-Regierung, nun ist sie unabhängig.

ICANN-Chef Göran Marby versprach: „Es wird sich nichts ändern für die 3,4 Milliarden Internetnutzer auf der Welt. Das Vertragsende wird den Regierungseinfluss auf ICANN nicht erhöhen. Es gibt sogar strengere Regeln für Regierungsratschläge. Regierungen, die kein freies Internet wollen, sind gegen diese Übergabe. Sie hoffen, sie scheitert oder kommt später.“

ICANN
Die „Internet Corporation for Assigned Names and Numbers“, kurz ICANN, ist die Hüterin der Internetadressen. Die Non-Profit-Organisation koordiniert die Vergabe von einmaligen und damit eindeutigen Namen und IP-Adressen im Internet. Dazu gehören die Top-Level-Domainnamen wie .de, .com oder .net. Die ICANN hat ihren Hauptsitz in Los Angeles.

„Sobald der Staat raus ist, ist der Schutz der Meinungsfreiheit weg“

Aber auch in Washington gibt es Kritiker, vier US-Bundesstaaten reichten sogar Klage ein. Republikaner wie Senator Ted Cruz befürchten, wenn die US-Regierung ihren Einfluss verliere, dann sei die Meinungsfreiheit in Gefahr. Bei einer Anhörung sagte er: „Sobald der Staat raus ist, ist der Schutz der Meinungsfreiheit weg. Der erste Verfassungszusatz bindet den Staat, nicht private Unternehmen. Wenn ICANN der staatlichen Aufsicht entkommt, entkommt es dem ersten Verfassungszusatz. Muss sich nicht mehr um ihre und meine Rechte kümmern.“

Regierungsvertreter wiesen diese Sichtweise zurück. Lawrence Strickling ist der zuständige Vizeminister. Er erklärte, die Aufsicht seiner Behörde sei bisher formaler Natur gewesen: „Es hat nichts damit zu tun, welche Entscheidungen Unternehmen treffen, was sie auf ihre Webseiten tun. Es geht nicht um die Inhalte im Internet. Wir haben da keine Befugnis.“ ICANN betreibt zwar das zentrale Telefonbuch des Internets, es ist aber nicht unverzichtbar. Weil das Internet aber dezentral funktioniert, könnte es zum Beispiel auch andere Telefonbücher geben.

Die UN als Verwalterin des Netzes?

Die US-Regierung arbeitet seit Jahren daran, ihren Einfluss auf das Internet zu reduzieren. Die Befürworter sagen, wenn sich Unternehmen, Verbände und Vereine um das Internet kümmern, garantiere das am besten seine Freiheit. Der US-Einfluss sei dabei hinderlich gewesen, so Strickling: „Leute, andere Regierungen nutzen diesen Vertrag als Argument: Wenn die USA das macht, wollen wir das auch.“


Tim Berners-Lee, der Erfinder von HTML und der Begründer des World Wide Web. | Bildquelle: picture alliance /
Es gibt Bestrebungen, grundsätzliche Internetfunktionen von UN-Einrichtungen verwalten zu lassen. Das würde aber bedeuten, dass auch Länder wie China oder Russland stärker Einfluss nehmen könnten. Kritiker wie Ted Cruz überzeugen diese Argumente nicht. Er verwies darauf, dass das Internet doch in Amerika erfunden worden sei: „Im Geist von Freiheit und Großzügigkeit, der Kern unserer großartigen Nation, hat das amerikanische Volk das Internet nicht für sich behalten, sondern zum Nutzen der Menschheit verfügbar gemacht.“

Tim Berners-Lee widersprach Cruz. Er entwickelte das World Wide Web, einen wichtigen Bestandteil des Internet, so wie wir es heute kennen. Berners-Lee ist Brite, das WWW entwickelte er in Genf. Er sagte, dass Internet funktioniere nur, wenn die Welt sich auf einheitliche Standards einige. Und das sei am Besten in der Hand von Freiwilligen, Unternehmen und der Zivilgesellschaft.

von

Günter Schwarz – 02.10.2016