(Budapest) Mithilfe eines Referendums will Viktor Orbán der EU mitteilen, dass Ungarn Brüssels Flüchtlingspolitik für falsch hält. Tatsächlich stützt das Ergebnis klar seinen Kurs. Allerdings scheitert Orbáns Regierung daran, die nötige Bevölkerungsmehrheit zu mobilisieren.

Das ungarische Referendum über die umstrittenen Quoten der EU für die Verteilung von Flüchtlingen ist ungültig. An der Abstimmung nahmen nur rund 45 Prozent der Wahlberechtigten teil, gab der Vize-Präsident der Regierungspartei Fidesz, Gergely Gulyas, bekannt. Für einen gültigen Ausgang hätten mehr als 50 Prozent eine gültige Stimme abgeben müssen.

Mehr als acht Millionen Bürger waren dazu aufgerufen, über die Frage zu entscheiden, ob die EU ohne Zustimmung des ungarischen Parlaments die „Ansiedlung“ von Flüchtlingen in Ungarn anordnen darf. 95 Prozent der abgegebenen Stimmen entfielen Gulyas zufolge auf das Nein. Der Regierungspolitiker sprach deshalb von einem „überwältigenden Sieg“.

Initiiert hatte das Referendum die rechts-konservative Regierung von Ministerpräsident Viktor Orbán. Nach einer monatelangen Kampagne mit fremdenfeindlichen Untertönen war – unabhängig von der Gültigkeit – von Anfang an mit einem deutlichen Nein gerechnet worden.

„Flüchtlingspolitik ist nationale Aufgabe“

Noch am Samstag rief Orbán seine Landsleute auf, der EU deutlich mitzuteilen, dass ihre Flüchtlingspolitik falsch sei und ein Risiko für die Sicherheit Europas. Die Politik in den kommenden Monaten müsse darin bestehen, Brüssel davon abzuhalten, die verpflichtende Aufnahme von Flüchtlingen durchzusetzen. Flüchtlingspolitik sei Aufgabe der nationalen Regierungen.

Nachdem er seine Stimme in seinem Budapester Wohnbezirk abgegeben hatte, schraubte Orbán die Erwartungen an das Referendum aber bereits herunter. Die Regierung werde auch dann handeln, wenn das Referendum ungültig sei, sagte er zu Reportern. Insbesondere stellte er in Aussicht, sich bei den Brüsseler Gremien noch entschiedener gegen die EU-Quoten einzusetzen.

Im Wahlkampf hatte Orbán rund 8 Milliarden Forint – rund 26 Millionen Euro – in seine Kampagne gesteckt. Alle Wahlberechtigten erhielten einen Brief mit den Argumenten des „Nein“-Lagers. Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk liefen mehrere Tausend Werbespots. Eine Broschüre der Regierung wies zudem auf „Hunderte No-Go-Areas in den Großstädten Deutschlands, Frankreichs und Schwedens“ hin.

Der EU-Quotenplan wurde im vergangenen Jahr gegen die Stimmen Ungarns, Tschechiens, Rumäniens und der Slowakei beschlossen. Reiche Staaten wie Deutschland, in die die meisten Migranten streben, erhoffen sich von der EU-Regelung eine Entlastung.

von

Günter Schwarz – 03.10.2016