Polnische Frauen zwingen die „PiS“-Partei in die Knie
Nach heftigen Protesten gegen ein vollständiges Abtreibungsverbot zeichnet sich in der nationalkonservativen Regierung in Polen ein Kurswechsel ab. Der parlamentarische Justizausschuss empfahl am Mittwoch die Ablehnung der Gesetzesinitiative durch das Parlament. Die regierende Partei für Recht und Gerechtigkeit (PiS) hatte die Initiative des Bürgerkomitees „Stoppt Abtreibung“ bisher unterstützt. Die vielen landesweiten Demonstrationen aufgebrachter Frauen in Schwarz zeigen Wirkung und führen zur Meinungsänderung – selbst unter erzkonservativen „PiS-Leuten“!
„Die PiS hat Angst vor den Frauen bekommen, die auf die Straße gegangen sind“, sagte die ehemalige liberale Ministerpräsidentin Ewa Kopacz, die im Justizausschuss sitzt. Der Kampf sei aber noch nicht vorbei, weil nun noch die Parlamentsabgeordneten gegen den Gesetzentwurf stimmen müssten. Die Abstimmung findet voraussichtlich am Donnerstag statt. In dem von der nationalkonservativen PiS beherrschten Parlament steht eine große Mehrheit hinter der Initiative.
Regierungschefin geht auf Distanz
Vorsichtigen Schätzungen der Polizei zufolge waren am Montag landesweit rund hunderttausend Frauen und Männer auf die Straße gegangen, um gegen ein komplettes Abtreibungsverbot zu demonstrieren. In den Sozialen Medien wurde zum „schwarzen Protest“ („Czarny Protest“) aufgerufen, Tausende Demonstrantinnen nahmen ganz in Schwarz gekleidet an den Kundgebungen teil.
Hunderttausend Menschen beteiligten sich am „Czarny Protest“
Regierungschefin Szydlo distanzierte sich nach den Demonstrationen vom Gesetzesentwurf
Einer von Szydlos Stellvertretern, Wissenschaftsminister Jaroslaw Gowin, ging noch weiter, indem er einem Regionalsender sagte, dass es kein Abtreibungsverbot geben werde, wenn die Frau Opfer einer Vergewaltigung geworden sei oder wenn ihre Gesundheit oder ihr Leben in Gefahr sei. Die Proteste am Montag „haben uns nachdenklich gemacht und uns Bescheidenheit gelehrt“, fügte er hinzu.
Das umstrittene Gesetz könnte die PiS bei den nächsten Wahlen 2019 sogar um den Sieg bringen, berichtete die Zeitung „Gazeta Wyborcza“ unter Berufung auf PiS-Parteikreise. Die polnischen Bischöfe erklärten am Mittwoch ebenfalls, sie lehnten die in dem Gesetzentwurf vorgesehene Gefängnisstrafe für Frauen, die eine Abtreibung vornehmen ließen, ab.
Entwurf sah Bestrafung von Frauen und Ärzten vor
Auf Initiative des Bürgerkomitees „Stoppt Abtreibung“ war vergangene Woche im Parlament ein Gesetzesentwurf für ein praktisch vollständiges Verbot von Abtreibungen eingebracht worden. Schwangerschaftsabbrüche sollen künftig nur noch erlaubt sein, wenn das Leben der Schwangeren unmittelbar bedroht ist. Die Gesetzesinitiative sieht vor, dass bei einer Abtreibung sowohl die ausführenden Ärzte als auch die betroffenen Frauen mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden können.
Schon jetzt ist das polnische Abtreibungsrecht so restriktiv wie fast nirgendwo sonst in Europa. Erlaubt ist Abtreibung nur bei Gefahr für das Leben oder die Gesundheit der Schwangeren, Hinweise auf eine schwere unheilbare Erkrankung des Kindes oder bei Vergewaltigung oder Inzest.
von
Günter Schwarz – 06.10.2016