(Oxford) Regelmäßige Nachtschichten stören die innere Uhr – und erhöhen so das Brustkrebsrisiko, hieß es noch 2007. Doch das ist wohl glücklicherweise ein Irrtum. In Dänemark erhielten Nachtschicht-Arbeiterinnen mit Brustkrebs sogar eine finanzielle Entschädigung. Neue Studien geben jetzt Entwarnung.

Nach fast zehn Jahren geben Wissenschaftler jetzt Entwarnung bezüglich des Brustkrebsrisiko bei Nachtschicht-Arbeiterinnen. Hatte die Internationale Agentur für Krebsforschung der WHO damals noch vor der wahrscheinlich krebsauslösenden Wirkung nächtlicher Schichtarbeit gewarnt, dürften die neuen Analysen Krankenschwestern und Ärztinnen aufatmen lassen. Zumindest für Brustkrebs ist das Risiko durch die nächtliche Plackerei kaum oder gar nicht erhöht, so ergab eine Auswertung der Epidemiologin Ruth Travis von der Universität Oxford.

Frauen, die häufig die Nacht durcharbeiten, haben kein erhöhtes Risiko, an Brustkrebs zu erkranken. Das geht aus einer aktuellen Studie von Ruth Travis hervor, für die Daten von insgesamt 1,4 Millionen Frauen ausgewertet wurden und auf den Zusammenhang zwischen Nachtarbeit und Brustkrebs untersucht worden waren. Die Autoren der Untersuchung sehen dadurch eine Annahme widerlegt, die im Jahr 2007 veröffentlicht wurde. Damals hatten Wissenschaftler Nachtschicht bedingte Störungen der inneren Uhr mit einem erhöhten Brustkrebsrisiko in Verbindung gebracht.

Das Team um Ruth Travis von der Abteilung für Krebsepidemiologie an der University of Oxford berücksichtigte nun jedoch Daten dreier aktueller Studien („Million Women Study“, „EPIC-Oxford“ und „UK Biobank Cohort“) sowie von sieben weiteren, internationalen Untersuchungen zur Häufigkeit von Krebserkrankungen. Jedes Mal war das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken, gleich hoch, unabhängig davon, ob eine Frau niemals, gelegentlich oder über Jahrzehnte hinweg regelmäßig Nachtschichten absolvierte.

Die Studie soll in den kommenden Tagen im „Journal of the National Cancer Institute“ veröffentlicht werden. Die Autoren hoffen, mit ihren Ergebnissen allen Frauen, die nachts arbeiten müssten, eine augenscheinlich unberechtigte Sorge nehmen zu können. Allerdings entbänden die Ergebnisse die Arbeitgeber nicht davon, für die Gesundheit nachts arbeitender Mitarbeiter Sorge zu tragen. So existierten nach wie vor eine Reihe von Risiken, die in Zusammenhang mit Nachtarbeit stehen – dazu zählen etwa Schlafstörungen, Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie psychische Probleme.

Vor allem Tierexperimente hatten ein erhöhtes Krebsrisiko zunächst nahegelegt, in weiteren Studien hatten Forscher Brustkrebspatientinnen im Rückblick zu ihren Arbeitsgewohnheiten befragt. Der gestörte Tag-Nacht-Rhythmus, so die Annahme, könnte zum Beispiel zu einem unkontrollierten Wuchern von Zellen führen oder auch zu einer gestörten Immunantwort durch eine vermehrte Ausschüttung des Stresshormons Cortisol. In Dänemark erhielten 38 Nachtschichtarbeiterinnen im Jahr 2008 sogar eine finanzielle Entschädigung, weil sie an Brustkrebs erkrankt waren.

von

Günter Schwarz – 07.10.2016