(Karlsruhe) – Geplant ist, das umstrittene Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada am 27. Oktober feierlich zu unterzeichnen. Doch seine Gegner wollen mit einem Eilantrag in Karlsruhe verhindern, dass Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel das Abkommen im Namen der Bundesregierung abnickt. Am Vormittag verteidigte Gabriel das Projekt.

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel schwänzte die Kabinettsitzung in Berlin – mit dem Segen der Kanzlerin. Denn am Vormittag musste er vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe erklären, warum das europäisch-kanadische Freihandelsabkommen Ceta nach Auffassung der Bundesregierung keinen Angriff auf das Grundgesetz darstellt.

So nämlich sehen das vier Gruppen von Klägern, die im Eilverfahren verhindern wollen, dass Ceta in Teilen vorläufig in Kraft treten kann, noch bevor der Bundestag zugestimmt hat. Gabriels Argumentation: Mit Ceta versuche die EU, Regeln einzubringen, die europäische Standards sichern. Es gehe nicht um den Verlust von Souveränität, sondern um deren Erhalt durch internationale Kooperation. Er verstehe die Befürchtungen der Menschen – aber: Scheitere die geplante Unterzeichnung des Handelsabkommens mit Kanada, stelle das CETA grundsätzlich infrage. Genau das erhofft sich das Aktionsbündnis „Nein zu CETA“, das im Namen von mehr als 125.000 Mitklägern scharfe Kritik an CETA übt. Das Abkommen sei nicht nur geheim, sondern auch ohne Beteiligung der Parlamente verhandelt worden, so Roman Huber vom Verein „Mehr Demokratie“.

In der Bevölkerung sei die Ablehnung von CETA laut Umfragen inzwischen doppelt so hoch wie die Zustimmung. Auch in anderen Ländern werde das Abkommen zunehmend kritisch gesehen. Gabriel will das nicht gelten lassen. Schließlich habe er mit seinen europäischen Kollegen durchgesetzt, dass die EU-Kommission mehrere kritische Punkte des Abkommens wie die Daseinsvorsorge oder den Investorenschutz verbessert und klarer darstellt. Diese Erklärung liegt allerdings noch nicht endgültig vor. Die Opposition meldet erhebliche Zweifel an den Nachbesserungen an.

Besonders umstritten: Die privaten Schiedsgerichte, mit denen Unternehmen ihre Ansprüche gegen Staaten einklagen können, wie das derzeit Vattenfall vor dem Washingtoner ICSID versucht. Der schwedische Energiekonzern verklagt Deutschland wegen des Atomausstiegs auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 5 Milliarden Euro. CETA sieht zwar im Gegensatz zu den klassischen Investitionsschutzabkommen – Deutschland ist an mehr als 130 beteiligt – deutliche Verbesserungen und erstmals einen öffentlichen Handelsgerichtshof vor. Doch den Gegnern wie Verdi-Chef Frank Bsirske reicht das nicht: „Wir haben eine Fülle von Entscheidungen dieser Schiedsgerichte auf der Basis genau der Klauseln, die jetzt auch in CETA auftauchen. Die deutlich machen, dass ökologisch sinnvolle Maßnahmen, sozial sinnvolle Maßnahmen, Gegenstand von Schadenersatzklagen geworden sind und zugunsten der klagenden Investoren entschieden worden sind.“

von

Günter Schwarz – 13.10.2016