(Berlin) – Mehr als fünf Jahre nach dem Beschluss zum Atomausstieg hat die Bundesregierung die Weichen für einen Milliardenpakt zur Entsorgung der atomaren Altlasten gestellt. Das Kabinett brachte heute einen Gesetzentwurf auf den Weg, um sich mit den Stromkonzernen Vattenfall, Eon, RWE und EnBW über die Finanzierung des Atomausstiegs abschließend zu verständigen. Die vier Betreiber von Atomkraftwerken in Deutschland sollen in einen Fonds einzahlen – und währen juristisch aus dem Schneider. Sie müssten nur noch ihre Meiler abreißen und den Müll verpacken.

Geplant ist, dass der Staat den Unternehmen die Verantwortung für die Atommüll-Endlagerung abnimmt. Dafür müssen sie mehr als 23 Milliarden Euro an einen Staatsfonds überweisen. Für Stilllegung und Abriss bleiben die Unternehmen verantwortlich.

Das Gesetzespaket geht auf Vorschläge der Atomkommission der Regierung aus dem April zurück. Das Gremium mit Vertretern verschiedener gesellschaftlicher Gruppen und auch Parteien hatte diese einstimmig beschlossen. Daher gilt es als sicher, dass im parlamentarischen Verfahren keine wesentlichen Änderungen mehr vorgenommen werden. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hofft, dass das Gesetz noch im Winter in Kraft tritt. Geplant ist dies bis Ende Dezember. Sowohl Bundestag als auch Bundesrat müssen zustimmen. Angepeilt ist der Abschluss des Verfahrens im Februar 2017. Das letzte AKW soll 2022 vom Netz gehen.

Mit dem Gesetzespaket wird ein Vorschlag einer Expertenkommission umgesetzt. Danach sollen die vier Stromkonzerne ab Januar bis zum Jahr 2022 rund 23,55 Milliarden Euro bar in einen staatlichen Fonds überweisen, der die Zwischen- und Endlagerung von Atommüll in den nächsten Jahrzehnten managen soll. Das Geld stammt aus dem Finanzpolster der Unternehmen, den sogenannten Rücklagen, und enthält auch einen Risikozuschlag von fast 6,2 Milliarden Euro.

Im Gegenzug für den Milliarden-Risikoaufschlag können sich die Unternehmen von einer Haftung bis in alle Ewigkeit „freikaufen“ – dieses Risiko würde dann beim Steuerzahler liegen. Je später die Konzerne überweisen, desto teurer wird es für sie. Die an den Fonds zu überweisende Summe fällt geringer aus, als nach dem Vorschlag der Kommission fällig wäre. Auch sollen längere Ratenzahlungen bis Ende 2026 möglich sein. Es ist offen, ob es bei dem Zeitplan bleibt. Eine Frage ist auch, ob Konzerne Klagen gegen den Bund fallen lassen.

Für Stilllegung und Rückbau der Kernkraftwerke sowie Verpackung des radioaktiven Abfalls sollen die Unternehmen verantwortlich bleiben. Der Staat würde mit dem Fonds Geld für den Atomausstieg sichern, das bei Konzernpleiten verloren wäre. Das letzte Atomkraftwerk in Deutschland soll 2022 vom Netz gehen. Aktuell sind noch acht von ihnen in Betrieb.

Nach den Worten Gabriels wird sichergestellt, dass die Finanzierung für Stilllegung, Rückbau und Entsorgung langfristig gewährleistet werde, „ohne dass die Kosten einseitig auf die Gesellschaft übertragen werden und ohne die wirtschaftliche Situation der Betreiber zu gefährden“.

Eon fordert eine zügige Gesetzgebung sowie den raschen Abschluss einer Vereinbarung zwischen Bund und Betreibern. Der Gesetzentwurf werde eingehend geprüft. Eon werde im Interesse einer gemeinsamen und endgültigen Lösung mit den „öffentlichen Stellen“ konstruktiv zusammenarbeiten, teilte das Unternehmen mit.

Der Chef der Regierungskommission und frühere Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) hält die Verabredung zwischen Regierung und den Atomkonzernen für solide finanziert. Für Stilllegung und Abriss von Atomanlagen, was in die Zuständigkeit der Unternehmen falle, müssten 60 Milliarden Euro aufgebracht werden, sagte er. Unternehmen könnten sich nicht aus der Verantwortung stehlen.

Die Umweltorganisation BUND fordert deutliche Nachbesserungen zugunsten der Steuerzahler. Den Betreibern seien 1,4 Milliarden Euro erlassen worden, die sie weniger als von der Kommission vorgeschlagen einzahlen müssten.

von

Günter Schwarz  – 20.10.2016