(Klitmøller) – „Cold Hawaii“ liegt nicht unter der Pazifiksonne und Palmen und Hüften schwingende Hula-Mädchen fehlen dort auch, denn es ist an den Stränden im Norden Dänemarks im einstigen Fischerdorf Klitmøller an der Nordseeküste zu finden. Dieses einst unscheinbare Dorf ist dennoch und trotz dieser Mankos längst zum Zentrum eines der bekanntesten Surfgebiete Europas geworden, und ab Herbst gehen die Profis auf die Nordsee – jetzt sind die Wellen am höchsten und für Surfer am schönsten.

Zahllose Minibusse parken von Mitte September bis etwa um Ostern herum auf dem Parkplatz direkt am Strand, Surfer tragen emsig Boards hin und her, Neoprenanzüge hängen zum Trocknen. Manche ruhen sich an und in ihren Bussen aus, andere skaten oder balancieren auf der Slackline.

So sieht es in vielen Surfzentren aus, wie sie beispielsweise im Südwesten Frankreichs an der Biscayaküste vorzufinden sind. Doch diese Szene spielt sich nicht dort sondern 2.000 Kilometer weiter nördlich ab. Der Ort heißt Klitmøller, und er ist ein Fischerdorf im Nordwesten Dänemarks.

Die Küste von Agger bis Hanstholm in Thy mit Klitmøller als Mittelpunkt wird „Cold Hawaii“ genannt, Hier gibt es 31 registrierte Surfspots – und die Nordsee hält nahezu ständig eine Kombination aus Wellen und Wind bereit, die jeden Surfer begeistert. Der stetige Wind meist aus Westen neigt nicht nur die Kronen der Bäume, sondern schafft auch Wellen – die ideale Voraussetzung für Wind- und Kitesurfer.

Die beste Zeit zum Surfen ist zugleich die kälteste: „Von September bis Ostern gibt es drei bis vier Meter hohe Wellen“, erzählt Rasmus Fejerskov, der mit Westwind eine der zwei Surfschulen im Dorf besitzt. Das ist die Jahreszeit, in der dann auch die Profis nach Klitmøller kommen: „Ansonsten in den Sommermonaten trifft man hauptsächlich Anfänger.“

Vom rauen Umgang der Surfer untereinander, der vor allem auf den Kanaren zu beobachten ist, ist in Klitmøller keine Spur – da bleibt sich Dänemark treu. Familiär und freundlich präsentiert sich das Dorf mit rund 800 Einwohnern, einem Supermarkt und zwei Surfshops. Von den Surfbrettern abgesehen, ähnelt es vielen Ferienorten Dänemarks.

Das Kite- oder Windsurfen erfordert einige Übung. Das Wellenreiten ist zwar auch nicht ohne, doch das Meer von Klitmøller bietet auch beste Voraussetzungen für Anfänger, vor allem im Sommer. Warme Sachen sollten aber auch dann eingepackt werden: Die Nordsee wird selten wärmer als 18 Grad, und ein Neoprenanzug ist deswegen unabdingbar.

Mitte der Achtzigerjahre kamen die ersten Windsurfer in die Region und in das damalige Fischerdorf Klitmøller. Sie erfanden auch den Namen „Cold Hawaii“ – weil die Bedingungen an die Inseln im Pazifik erinnerten. „Den richtigen Boom gab es allerdings erst in den Neunzigern“, sagt Ole Christensen, Tourismuschef von Visit Thy. Viele Surfer campen wild, gehen aber gerne in die einzige Pizzeria des Ortes, manchmal picknicken sie auch am Strand bei den alten Bunkern. Diese bieten den perfekten Windschutz für das Lagerfeuer.

Die Fischer waren anfangs wenig begeistert. „Die Surfer haben einfach alles vollgeparkt und geschlafen, wo sie wollten. Außerdem war es für die Fischer neu, dass das Meer plötzlich Spaß bedeuten sollte.“ Surfschulbesitzer Fejerskov sagt: „Bis heute sind viele noch skeptisch. Sie haben Angst, dass die Segel sie treffen.“

Die Spannungen mildern konnte weitgehend der Surfclub Nasa (North Atlantic Surf Association). Er vermittelte erfolgreich zwischen beiden Parteien und entwickelte auch den „Master Plan“. „Wir wollten Klitmøller zurück auf die Landkarte bringen“, sagt Fejerskov, der Mitglied des Clubs ist. Es ging darum, die Region Thy als Surfzentrum für Nordeuropa zu etablieren und die Einheimischen in die Surfcommunity einzubeziehen. Seit 2010 ist Klitmøller nun Gastgeber des „Cold Hawaii PWA World Cup“. Dort trifft sich die Weltelite, um sich in der Disziplin „Wave Performance“ zu messen.

„Während dieser Weltmeisterschaften findet auch immer eine große Party statt, und die Fischer stellen inzwischen dafür sogar ihre Fischerhütten am Strand zur Verfügung“, sagt Ole Christensen. „Infrastrukturell soll es in Klitmøller möglichst so bleiben, wie es ist.“

Es zögen jedoch immer mehr junge Leute ins Dorf, um zu surfen. „Das macht den Ort natürlich moderner und attraktiver.“ Manchmal hängen an den Läden Schilder mit der Aufschrift: „Closed because of Waves“ (Wegen Wellen geschlossen).

von

Günter Schwarz  – 23.10.2016