(Calais) Aus dem Flüchtlingslager von Calais, dem „Dschungel“, wie er genannt wird, das französische Sicherheitsbehörden derzeit räumen, werden nun Tausende Flüchtlinge in ganz Frankreich verteilt. Auch nach Deutschland könnten von diesen auch einige Asylsuchende kommen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) rechnet in den kommenden Wochen mit mehreren hundert Übernahmeersuchen für Flüchtlinge, die sich auf dem Weg nach Frankreich zuvor in Deutschland registriert oder hier bereits einen Asylantrag gestellt hatten.

Frankreich bemüht sich das Entstehen neuer Camps zu verhindern, nachdem die Räumung des Flüchtlingslagers in Calais voraussichtlich am kommenden Montag abgeschlossen sein wird. „Die Ordnungskräfte vor Ort werden Kontrollen durchführen, vor allem an den Bahnhöfen“, kündigte der französische Innenminister Bernard Cazeneuve an. „Um dafür zu sorgen, dass die Camps in Calais und an der Nordküste nicht wieder entstehen.“

Allerdings hatten rund ein Drittel der Migranten das Lager, das unter dem Namen „Dschungel“ von Calais bekannt geworden war, am Montag im Laufe des Tages verlassen. Bislang wurden dem Innenminister zufolge 1918 Erwachsene mit Bussen in Aufnahmezentren in andere Regionen Frankreichs gebracht.

Neben den Erwachsenen wurden 400 unbegleitete Kinder und Jugendliche in provisorischen Containern in Calais untergebracht. „Das Vereinigte Königreich wird tatsächlich alle unbegleiteten Minderjährigen aus Calais aufnehmen, deren Angehörige sich bereits in Großbritannien aufhalten“, sagte Innenminister Cazeneuve.

Hunderte Flüchtlinge nach Deutschland?

Zuletzt hatten in der Hütten- und Zeltsiedlung in der Nähe zum Kanaltunnel um die 6500 Menschen gelebt. Sie wollten von Calais aus illegal über den Ärmelkanal nach Großbritannien gelangen. Die meisten kamen aus Ländern wie Afghanistan, Äthiopien, Eritrea und dem Sudan. Die Auflösung des Lagers wird in den kommenden Tagen fortgesetzt werden. In der Folge könnte auch Deutschland davon betroffen sein.

Möglich ist das durch das Dublin-Abkommen, wonach ein Asylverfahren in dem Staat abgewickelt werden muss, in dem sich der Flüchtling zuerst registrieren ließ. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge rechnet mit mehreren hundert Übernahmeersuchen, wie die „Rheinischen Post“ unter Berufung auf Behördenkreise berichtete. In Kreisen deutscher Behörden geht man davon aus, dass etwaigen Ersuchen Frankreichs auch entsprochen würde. Paris könnte Deutschland danach vor allem bitten, Flüchtlinge aufzunehmen, die sich auf dem Weg nach Frankreich zuvor in Deutschland registriert oder einen Asylantrag gestellt hatten. Allerdings, so hieß es, hätten die betroffenen Personen auch das Recht, gegen die sogenannte Überstellung nach Deutschland vor einem französischen Gericht zu klagen.

von

Günter Schwarz  – 25.10.2016