Soziale Medien und Wahlkampf: Nur der Glaube zählt
Der US-Wahlkampf ist vorüber. Beeinflusst wurde er durch viele Halbwahrheiten und Falschmeldungen, wobei Mark Zuckerberg und Facebook verstärkt in die Kritik geraten. Zuckerberg sagt, 99 Prozent der Inhalte auf Facebook seien „authentisch“. Er sagt nicht, sie seien wahr. Halbwahrheiten sind gerade groß im Kommen.
Worum geht’s?
Mark Zuckerberg steht seit ein paar Tagen in der Kritik. Medien fragen nach, welchen Einfluss Facebook auf die US-Wahl hatte: vom Wall Street Journal über den britischen Guardian bis zum Tagesanzeiger. Zuckerbergs Netzwerk Facebook habe mit Falschmeldungen und Halbwahrheiten zum Wahlsieg von Donald Trump beigetragen, ist eine These.
Jetzt hat Zuckerberg auf Facebook reagiert: Mehr als 99 Prozent der auf Facebook verbreiteten Informationen seien authentisch. Sein Netzwerk habe den demokratischen Meinungsbildungsprozess positiv unterstützt: Facebook habe Wähler und Kandidaten vernetzt, den Dialog gefördert und Menschen an die Urne gebracht, die sonst zuhause geblieben wären.
Warum ist es interessant?
Zuckerberg sagt, die auf Facebook verbreiteten Informationen seien „authentisch“. Er sagt nicht, sie seien wahr. Facebook blendet damit die Frage nach der Wahrheit aus.
Lange Zeit stand das Internet für Informationsfreiheit. Informationen sollten zugänglich sein, schnell und unkompliziert. Von der Demokratisierung der Informationen war die Rede.
Die Auswertung des Wahlkampfes in den USA zeigt aber:
- Die Website buzzfeed hat das Surf-Verhalten auf Facebook während des Wahlkampfes untersucht. Dabei kam heraus, dass sich Trump-Wähler eher auf trumpfreundlichen Seiten informieren. Für das Clinton-Lager gilt ähnliches. Heißt: Gegenteilige Informationen zur eigenen Meinung werden eher als störend wahrgenommen. Viele wollen in ihrer Meinung bestärkt werden.
- Ebenso halten sich Falschmeldungen, die ins Weltbild passen, länger im Netz und werden häufiger geteilt und damit weiterverbreitet. So kursierte die Nachricht, ein FBI-Agent, der gegen Hillary Clinton ermittle, sei rätselhaft verstorben. Eine Falschmeldung, verfasst von einer nicht existierenden Zeitung.
Die Entwicklungen im gesamten Netz laufen nach ähnlichen Mustern ab. Informationen, die stören, werden ausgeblendet. Meinungsbildung und Wahrheitsfindung scheinen sich zu trennen.
Die eigene Meinung ist zur Wahrheit geworden, ganz unabhängig davon, ob sie richtig oder falsch ist. Man könnte das als digitalen Populismus bezeichnen.
von
Günter Schwarz – 15.11.2016