Während seiner Amtszeit als US-Präsident hat sich die Beziehung Obamas zu Europa und zu Deutschland immer wieder verändert. Die Hoffnung, die man zunächst in ihn gesetzt hatte, wurde spätestens bei der NSA-Affäre und seinem Drohnenkampf gegen den Terror getrübt. Doch nach der Wahl Trumps sieht alles wieder ganz anders aus.

Der scheidende US-Präsident Barack Obama ist auf Abschiedstour in Europa. Sein erster Besuch in Europa galt Griechenland und heute Abend wird er um 18 Uhr in Berlin erwartet und Bundeskanzlerin Angela Merkel treffen. Es ist Obamas sechster Besuch in Deutschland und es wird sein letzter als amerikanischer Präsident sein.

Obama macht sich Sorgen, wie die Zukunft nach der Wahl von Donald Trump aussehen wird, denn Obama hat ein gewisses Auf und Ab in den deutsch-amerikanischen Beziehungen während seiner 8-jährigen Amtszeit selbst erlebt. Als er gewählt wurde, herrschte ein großer Hype, später kam die Enttäuschung, als er aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Kongress und Senat nicht ganz so viel durchsetzen konnte, wie er anfangs versprochen hatte. Dann folgten die NSA-Affäre und das Abhören der Bundeskanzlerin. Und trotzdem sind das viel angenehmere Perspektiven, als die Sorge, wie es mit Trump weitergeht, zum Beispiel wegen der Nato. Obama kommt nach Deutschland, um die Europäer zu beruhigen. Er ist der einzige, der aus einem Gespräch mit Trump berichten kann. Eine seiner Hauptbotschaften ist, dass Trump ihm gesagt habe, dass die engen Nato-Beziehungen erhalten blieben.

Das Verhältnis von Obama zu Deutschland ist reichlich kompliziert, denn zuerst beim Amtsantritt hatte er überhaupt keine herzliche Beziehung zu Deutschland. Der Mann kommt aus dem pazifischen Raum, er ist in Hawaii aufgewachsen und hat als Jugendlicher in Indonesien gelebt. Er hatte kaum Berührungspunkte zu Europa, wie das frühere amerikanische Präsidenten vor ihm hatten. Andererseits hatten die Deutschen anfangs ein sehr herzliches Verhältnis zu Obama und fanden ihn überaus sympathisch.

Amerikas Ansehen war nach der Regierungszeit von Bush in Deutschland auf dem Tiefpunkt. Doch dann trat Obama das Amt an, und die Wertschätzung stieg fast bis zur Euphorie für die USA und dem Präsidenten Obama. Nach der NSA-Affäre von 2013 sank die Zustimmung zu den USA wieder abrupt, und jetzt, seit der Abschied am 20. Januar 2017 absehbar wird, steigt die Begeisterung für Obama wieder an.

Dieses Auf und Ab war stark war und ist in allen Kreisen der Gesellschaft zu spüren. Eine völlige Verunsicherung ergriff die Deutschen, als Obame sich für die Krankenversicherung in den USA stark machte und sie gegen den erbitterten Widerstand der Republikaner zumindest teilweise durchsetzte. Warum wollen die Amerikaner keine allgemeine Krankenversicherung? Die Deutschen denken an „Sicherheit“, und sie wissen um die Vorteile, dass jeder eine Krankenversicherung hat. Die Amerikaner denken bei „Freiheit“ auch in dem Sinne, dass zwar jeder eine Krankenversicherung haben sollte, aber darüber soll nicht der Staat bestimmen, ob jeder Bürger eine hat oder nicht. Später merkte man in Deutschland auch, dass die Anti-Terror-Politik, die Drohnenangriffe in Pakistan, im Jemen und anderswo unter Obama – der den Friedensnobelpreis erhalten hatte – genau so weitergingen wie schon zuvor unter Bush. Diese Enttäuschung haben die Menschen direkt formuliert, aber man merkte auch, dass jetzt die positive Grundeinstellung wieder nach oben kam, weil alle in Schockstarre über das Wahlergebnis in den USA gerieten. Es ist eine Woche nach der Wahl und so richtig fassen können viele es immer noch nicht. Man fragt sich am Morgen, ob man das geträumt hat, dass Trump US-Präsident wird. Der Besuch von Obama wird alle daran erinnern. Es herrscht zweifelsfrei auch ein wenig Nostalgie und Wehmutsstimmung.

Inwieweit sich die zukünftigen Beziehungen zu den USA ändern werden, ist vor allem erst einmal abzuwarten, bis man etwas nähere Informationen hat, was Trump wirklich zu tun beabsichtigt, wie viel von seinem Wahlkampfgerede gilt und inwieweit er sich an die Realitäten annähert. Das tut er ja eigentlich mit atemberaubender Geschwindigkeit. Jetzt wird nochmals klar, wie verlässlich die Beziehung Merkel-Obama eigentlich war. Sie haben vieles in der Weltpolitik gemeinsam besprochen und in die Wege geleitet. Es sagt viel aus, dass der einzige Name einer ausländischen Regierungschefin, den Obama am Montag an einer Pressekonferenz genannt hat, der von Angela Merkel war. Sie war seine wohl engste Mitarbeiterin in der internationalen Szene in den letzten acht Jahren. Diese Verlässlichkeit ist in Gefahr. Selbst wenn Donald Trump sich viel positiver entwickelt, als im Moment befürchtet wird, wird es dauern, bis wieder ein verlässliches Verhältnis zwischen Deutschland und der USA entsteht. Das ist in internationalen Beziehungen nicht anders wie im privaten Leben auch.

von

Günter Schwarz  – 16.11.2016