(München) –  Ein US-Soldat wirft Amerika Kriegsverbrechen im Irak vor. Deswegen will er nicht erneut im Irak kämpfen und flieht vor dem Kriegsdienst. Er beantragt Asyl in Deutschland. In Deutschland bekommt er deshalb aber kein Asyl, entschied ein das Verwaltungsgericht München.

Der desertierte US-Soldat André Shepherd ist mit seinem Asylantrag vor dem Verwaltungsgericht München gescheitert. Das Gericht sei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Fahnenflucht des Klägers nicht das letzte Mittel gewesen sei, um nicht an der Begehung von Kriegsverbrechen beteiligt zu werden, teilte Sprecher Florian Huber mit.

Shepherd habe sich trotz seiner moralischen Zweifel nicht mit der Möglichkeit der Kriegsdienstverweigerung beschäftigt und auch sonst keine Versuche unternommen, eine Versetzung oder eine Entlassung zu bewirken. Shepherd war im April 2007 von seinem US-Stützpunkt in Bayern geflohen, um einem weiteren Einsatz im Irak-Krieg zu entgehen. Der heute 39-Jährige beantragte Asyl in Deutschland, die Behörden lehnten den Antrag jedoch ab.

Mit der Zuversicht, „zu 100 Prozent im Recht zu sein“, zog Shepherd vor das Verwaltungsgericht München. Das Gericht hatte das Verfahren im Jahr 2013 ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) Fragen zur Auslegung von Vorschriften im EU-Flüchtlingsrecht vorgelegt. Nach dem EuGH-Urteil aus dem Februar 2015 gab es nur noch wenig Hoffnung für Shepherd: Eine drohende Freiheitsstrafe oder die Entlassung aus der Armee könnten nicht als Asylgründe im Sinne des europäischen Rechts gelten.

Bei der Fortsetzung des Prozesses musste Shepherd in einer fünfstündigen Verhandlung seine Gedanken und Motivationen erläutern. Die Kammer befragte ihn detailliert zu seinen Erlebnissen vom Eintritt in die Armee bis zu seiner Fahnenflucht. Vor allem zwei Vertragsverlängerungen während und kurz nach seinem Irak-Einsatz warfen bei den Richtern Fragen zur Glaubwürdigkeit des Soldaten auf. Shepherd hielt dagegen, dass er durch die Vertragsverlängerungen gerade eine erneute Stationierung im Irak habe vermeiden wollen – sein Rekrutierungsoffizier habe ihm damals garantiert, dass er bei einer Verlängerung nicht erneut in den Irak müsse.

Rechtsanwalt Reinhard Marx beklagte noch während des Prozesses, dass es über Stunden nur um die Glaubwürdigkeit seines Mandanten statt um den Kern der Debatte gegangen sei. „War er in der Gefahr, an Kriegsverbrechen teilnehmen zu müssen? Um diese Frage geht es eigentlich“, sagte Marx gegen Ende der Verhandlung. Das Gericht konterte im Urteil: Shepherd habe nicht plausibel klar gemacht, dass seine Einheit in Kriegsverbrechen verwickelt worden wäre.

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl erklärte kurz nach der Urteilsverkündung, dass sie Shepherd auch weiterhin unterstützen werde. Das Gericht sei „vorfestgelegt“ gewesen und habe die Aussagen Shepherds nicht angemessen in den Kontext des Irakkriegs eingebettet. „Ich habe seit langem nicht mehr so ein einseitiges Spiel in einem deutschen Verwaltungsgericht erlebt“, sagte Pro-Asyl-Vertreter Bernd Mesovic. Gemeinsam mit Anwalt Marx werde eine Berufungsklage vorbereitet.

von

Günter Schwarz  – 18.11.2016