Nach der Ansage der deutschen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) von Sonntag, ein viertes Mal für den Posten der Kanzlerin zu kandidieren, sind die Erwartungen hoch. Die erneute Kandidatur der deutschen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die deutsche Opposition von links bis rechtspopulistisch mobilisiert, denn Merkel gilt in der Politwelt des zunehmenden Rechtspopulismus als eine der letzten Bastionen der Mitte und der dazugehörigen Werte – im Gegensatz etwa zu dem designierten US-Präsidenten Donald Trump und anderen rechtspopulistischen Tendenzen auch in Europa. Die politische Konkurrenz, allen voran die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD), rüstet unterdessen gegen Merkel. Sie selbst scheint die ihr zugeschriebene Rolle als Weltretterin jedenfalls revidieren zu wollen.

Die internationale Stimmung dürfte mitentscheidend für ihre nunmehr vierte Kandidatur sein, wie Medien berichten. Merkel hatte Trump gleich nach der US-Wahl eine enge Zusammenarbeit angeboten, diese aber von der Achtung gemeinsamer Werte abhängig gemacht. „Deutschland und Amerika sind durch Werte verbunden: Demokratie, Freiheit, Respekt vor dem Recht und der Würde des Menschen, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung oder politischer Einstellung“, sagte Merkel.

Merkel will doch keine Weltretterin sein

Die offenen Worte und das Eintreten für die westlichen Werte brachten ihr wie auch ihr Agieren in der Flüchtlingskrise im letzten Jahr erneut internationale Anerkennung. Bei ihrer Ankündigung am Sonntag, sie wolle im kommenden Jahr für eine vierte Amtszeit als Kanzlerin kandidieren, gab sich Merkel dann doch bescheiden und auf die deutsche Innenpolitik konzentriert. Sie wollte von den Projektionen auf ihre Person als Weltretterin nichts mehr wissen.

„All das, was damit, insbesondere nach den Wahlen in den Vereinigten Staaten von Amerika, verbunden wird, wie es auf mich ankommt, das ehrt mich zwar, aber ich empfinde es auch sehr stark als grotesk und geradezu absurd. Kein Mensch, kein Mensch alleine, auch nicht mit größter Erfahrung, kann die Dinge in Deutschland, Europa, in der Welt mehr oder weniger zum Guten wenden, und schon gar nicht eine Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland“, so Merkel am Sonntag. Merkel bat am Montag die Unionsfraktion um Unterstützung für ihre erneute Kanzlerkandidatur. „Lasst uns versuchen, gemeinsam erfolgreich zu sein“, sagte sie nach Teilnehmerangaben am Montag in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in Berlin. Alleine könne sie das nicht schaffen.

„Tiefes Unbehagen“ bei Petry

Die deutsche Opposition will mit dem Versprechen einer grundlegend anderen Politik eine vierte Amtszeit Merkels verhindern. Vor allem die Alternative für Deutschland (AfD) hat Merkel schon den Kampf angesagt. Die deutsche Rechtspopulistin Frauke Petry, eine der drei Sprecher der AfD, sagte, sie freue sich über die Entscheidung Merkels.

„Damit stellt sich die Politikerin zur Wiederwahl, die das milliardenteure und gefährliche Einwanderungschaos verursacht hat und unter deren Führung die Energiewende an die Wand gefahren wurde“, sagte die AfD-Parteichefin am Montag. Als Bürgerin empfinde sie zwar tiefes Unbehagen über diese Kandidatur. Als politische Konkurrentin gehe sie aber davon aus, dass diese ihrer eigenen Partei nutzen werde.

Idealerweise sähe ihre Partei den Sozialdemokraten und EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz als Spitzenkandidaten der SPD, da dieser „wie kein anderer Deutscher für das Scheitern der EU steht“. Merkel und Schulz verkörperten als „Traumduo der Großen Koalition“ den Niedergang Deutschlands, sagte Petry. Der AfD-Bundesvorstand hatte am Freitag empfohlen, mit mehreren Spitzenkandidaten in den Bundestagswahlkampf zu gehen. Petry gilt dabei als gesetzt. In Deutschland wird im Herbst 2017 der Bundestag neu gewählt.

Grüne für „echten Politikwechsel“

Grünen-Chefin Simone Peter sagte, ihre Partei werde sich für einen „echten Politikwechsel“ einsetzen. „Wir werden 2017 dafür kämpfen, dass die Merkelsche Kaputtsparpolitik in Europa, ihre verhängnisvolle Mutlosigkeit beim Klimaschutz und die wachsende Ungleichheit beendet werden“. Die Grünen schließen allerdings auch eine Koalition mit der CDU nicht aus.

Der Linke-Vorsitzende Bernd Riexinger machte der deutschen Kanzlerin schwere Vorwürfe. „Merkel hat die tiefe Krise, in der sich die Demokratie hierzulande befindet, entscheidend mit zu verantworten“, sagte er. „Eine Kanzlerin, die mit ihrer Rentenpolitik auch Menschen mit einem normalen Einkommen nach einem langen Erwerbsleben ungerührt in die Altersarmut schickt, macht den Menschen berechtigterweise keine Hoffnung, dass sich für sie irgendetwas zum Besseren wenden wird.“

Alle Blicke auf SPD gerichtet

Indes wartet der CDU-Regierungspartner SPD mit seiner Entscheidung, wer als Kanzlerkandidat ins Rennen geht, noch zu. Mit Spannung wird erwartet, wen die Sozialdemokraten als Herausforderer für die Amtsinhaberin aufstellen. Führende SPD-Politiker ließen sich am Montag zwar nicht unter Druck setzen, SPD-Vizeparteichef Ralf Stegner betonte jedoch: „Natürlich wird das bald geschehen.“

Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft sagte am Montag in Berlin vor einer SPD-Präsidiumssitzung, ihre Partei mache ihren Zeitplan nicht davon abhängig, wann die CDU ihre Kandidatin aufstelle. Bisher hält die SPD daran fest, dass ihr Kanzlerkandidat Anfang nächsten Jahres feststehen soll. In der Partei ist die Erwartung aber weit verbreitet, dass der Kandidat noch in diesem Jahr benannt wird. Bei der SPD sind Parteichef Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel und der Präsident des Europaparlaments, Schulz, als mögliche Kanzlerkandidaten im Gespräch.

von

Günter Schwarz – 22.11.2016