(Ankara) – Präsident Erdoğan führt seinen harten Kurs in der Türkei fort. Als Reaktion auf den Putschversuch entlässt er erneut Beamte, Soldaten und Polizisten und schließt Zeitungen. Die Regierung in Ankara kennt nur noch eine Frage: Freund oder Feind? Wer nicht eindeutig zur ersten Gruppe zählt, wird aussortiert. Dabei macht der Arm der Staatsmacht auch vor den eigenen Bediensteten nicht halt.

Mit einem neuen Notstandsdekret im Zusammenhang mit dem 15. Juli hat der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan etwa 15.000 weitere Angehörige der Sicherheitskräfte entlassen. Außerdem werden 375 Vereine, 18 Stiftungen und eine Gesundheitseinrichtung geschlossen. Der Grund sind angebliche Verbindungen zur verbotenen kurdischen Arbeiterpartei (PKK), die von der Türkei ebenso wie von der EU als Terrororganisation eingestuft wird, und zum islamischen Prediger Fethullah Gülen. Ihn macht die Regierung für den Putsch verantwortlich. Gülen, der im Exil in den USA lebt, weist dies zurück.

In den Ministerien kommt es ebenfalls zu weiteren Massenentlassungen. Und auch gegen die Medien geht die Regierung mit dem Dekret wieder vor. Sieben Regionalzeitungen und ein lokaler Radiosender müssen den Betrieb einstellen. Nach dem Umsturzversuch wurden bisher mehr als 110.000 Staatsbedienstete entlassen, mehrere tausend wurden festgenommen und befinden sich in den überfüllten Gefängnissen des Landes oder im Polizeigewahrsam.

An den Pranger gestellt

Die entlassenen Staatsbediensteten werden wie schon in früheren Fällen namentlich im Anhang des Dekrets benannt. Diese Praxis ist hoch umstritten, da die Betroffenen damit öffentlich an den Pranger gestellt werden, ohne jemals von einem Gericht verurteilt worden zu sein.

Seit Verhängung des Ausnahmezustands kann Erdoğan per Dekret regieren. Die Dekrete haben Gesetzeskraft und gelten ab ihrer Veröffentlichung. Das Parlament muss sie nur nachträglich bestätigen. Der bereits einmal verlängerte Notstand gilt mindestens bis Mitte Januar. Nach dem gescheiterten Putschversuch Mitte Juli wurden mehr als 30.000 Menschen festgenommen und mehrere zehntausend entlassen.

von

Günter Schwarz – 22.11.2016