Martin Schulz wird Alkoholsucht, harte Arbeit und Machtpolitik nachgesagt. Aber wer ist Martin Schulz wirklich, der jetzt als Herausforderer Angela Merkels gehandelt wird? Jeder kennt ihn mehr oder weniger aus den TV-Nachrichten – oft zusammen mit  EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker – aber kaum jemand weiß etwas über ihn.

Drei Sprachen mussten es sein. Vor wenigen Tagen, am 24. November, verkündete der noch amtierende Parlamentspräsident des Europäischen Parlaments in Brüssel, Martin Schulz, seinen Abschied aus Straßburg: „Diese Entscheidung ist mir nicht leicht gefallen.“ Wortgleich auf Deutsch, Englisch und Französisch. So gehört es sich für Spitzenleute einer integrierten EU. Dieser Satz wirkte überzeugend und glaubwürdig – dreifach! Dennoch verriet Schulz vielleicht mehr, als ihm lieb sein dürfte. Schließlich fügte er an: Er wolle künftig „von der nationalen Ebene aus für das europäische Projekt kämpfen“.

Die nationale Ebene für Schulz heißt Deutschland – genauer gesagt Nordrhein-Westfalen. Hier will sich Schulz von Listenplatz eins für die SPD ins Rennen um einen Sitz im Bundestag stürzen. Der Wechsel kommt nicht ganz freiwillig. Schulz wäre gerne geblieben, auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hätte ihn gern behalten – doch die konservative Europäische Volkspartei beharrte auf der Absprache, im Januar den Chefposten im EU-Parlament selbst besetzen zu dürfen.

Nun kommt der Wechsel und die Rückkehr in die Heimat. Schulz’ Ziel? Dazu wolle er sich „bald“ äußern. Was sind die Optionen? Als dann 61-Jähriger nach 22 Jahren im Europaparlament, dem er seit 2012 als Präsident vorstand, eine ruhige Kugel im Bundestag in Berlin schieben? Wohl kaum. Menschen, welche die private und politische Persönlichkeit Martin Schulz kennen, beschreiben ihn als ehrgeizig, machtbewusst, zielstrebig. Also darf man noch einiges erwarten von Martin Schulz auf nationaler Ebene.

Folglich spekulieren deutsche Medien fleißig, welche Rolle Schulz übernehmen könnte. Aussenminister, nachdem Frank-Walter Steinmeier sicher als Bundespräsident ins Schloss Bellevue ziehen wird, oder gar Herausforderer Angela Merkels um das Kanzleramt?

Egal, welcher Posten es nachher sein wird: Für Schulz war diese Laufbahn alles andere als vorgezeichnet – trotz seiner Eigenschaften. Er wurde 1955 im nordrhein-westfälischen Eschweiler geboren. Sein Vater war Polizist, seine Mutter eine CDU-Lokalpolitikerin. Als Jugendlicher wollte Schulz eigentlich Profifußballer werden. „Ich hab nur noch Fußball gespielt, mich interessierte nichts anderes mehr“, sagte er vor einigen Jahren der Zeitschrift „Bunte“. Doch er verletzte sich schwer am Knie. Der Traum platzte.

Und auch sonst lief es nicht rund. Schulz war schlecht in der Schule, schaffte die Zulassung zum Abitur nicht, wurde arbeitslos und begann zu trinken. Ein „Sausack“ sei er damals gewesen, sagt Schulz über sich selbst. „Irgendwann sagte ich mir: Entweder mache ich einen radikalen Schnitt oder ich gehe kaputt. Ich wollte mein Leben nicht wegwerfen.“ Sein Bruder, ein Spitalarzt, bot ihm Hilfe beim Kampf gegen den Alkohol an. Gemeinsam überwanden sie die Sucht.

Mit 27 Jahren machte sich Schulz als Buchhändler selbstständig. „Von da an ging‘s bergauf“, sagt er. Schulz, SPD-Mitglied seit er 19 Jahre ist, setzte dann voll auf die Politkarte. Äußerst erfolgreich. Mit nur 31 Jahren wurde er in Würselen zum damals jüngsten Bürgermeister Nordrhein-Westfalens gewählt. Nur sieben Jahre später betrat Schulz europäischen Boden.

von

Günter Schwarz – 27.11.2016