Seit dem Frühjahr 2016 testet die Deutsche Umwelthilfe DUH in einer aufwendigen Prüfreihe den Schadstoff-Ausstoss modernster Diesel-PKW. Diese müssen die Euro-6-Norm erfüllen. Bezüglich giftiger Stickoxide (NOx) heisst das: Neuste Diesel-Autos dürfen im Schnitt nicht mehr als 80 Milligramm NOx pro Kilometer ausstoßen.

Im offiziellen Normtest erfüllen alle von der DUH getesteten Fahrzeuge diese Vorgabe. Sonst wären sie in der EU gar nicht zugelassen. Doch wie sieht es im realen Straßenbetrieb aus? Das wollte die DUH genauer wissen und testete 41 Diesel-Autos unter realistischen Bedingungen: „Wir fahren so, wie die meisten Menschen im Mittel fahren: Ein Drittel innerorts, ein Drittel außerorts und ein Drittel Autobahn. Die Geschwindigkeiten im Test liegt zwischen 30 km/h und 125 km/h“, erklärt der Motorenfachmann Axel Friedrich, der die Testreihe leitet.

Weit mehr Stickoxide als auf dem offiziellen Prüfstand

Die Resultate sind brisant: Viele Fahrzeuge liegen im Praxistest deutlich über den erlaubten NOx-Grenzwerten. Zum Teil massiv. Der Fiat 500X 2.0 zeigt im DUH-Test den höchsten Stickoxid-Ausstoß: 1380 mg/km. Das ist das 17-Fache des Grenzwertes von 80 mg/km!

Abgasreinigung wird häufig abgeschaltet

Diesel-Fahrzeuge verfügen über eine zusätzliche Abgasreinigung zur Reduzierung der Stickoxide. Diese Reinigungsstufe wird – anders als auf dem offiziellen Prüfstand – im Alltagsbetrieb offenbar häufig ausgeschaltet. Zum Beispiel unterhalb einer bestimmten Temperatur: „Viele Hersteller schalten schon bei 19 oder 17 Grad die Abgasanlage aus. Unglaublich, die Branche hat ein neues Wort erfunden: ,Thermofenster‘. Das ist eine unverschämte Vorgehensweise“, kritisiert Axel Friedrich. Sein Verdacht: Eine Software im Bordcomputer schaltet die Abgasnachbehandlung einfach aus.

Die Tricks der Autobauer

Moderne Auto-Elektronik erkennt offenbar verschiedenste Parameter, welche signalisieren, dass gerade kein Test stattfinden kann. So schaltet sich die Abgasreinigung bei bestimmten Modellen ab einer Fahrdauer von 22 Minuten aus. Zufall oder nicht: Der offizielle Test auf dem Prüfstand dauert nicht länger als 20 Minuten. Ebenso einen Einfluss hat offenbar die Tourendrehzahl oder die Höhe über Meer, auf der das Auto fährt.

Hersteller: „Keine illegalen Abschaltvorrichtungen“

Fiat will die Testwerte nicht kommentieren, „da die DUH das angewandte Testverfahren nicht hinreichend offengelegt hat.“ Es sei nicht nach den gesetzlichen Vorgaben der offiziellen Tests geprüft worden, schreibt Fiat Chrysler Automobiles auf Anfrage. „Die Testergebnisse sind daher ohne Bedeutung.“

Andere Hersteller wie Mercedes-Benz, Renault und Hyundai hinterfragen die Testresultate der DUH nicht. Sie bestreiten jedoch, illegale Abschaltmechanismen in den Fahrzeugen installiert zu haben und verweisen darauf, dass sie die gesetzlichen Abgasvorschriften bei den Fahrzeugen einhalten.

Schonung der Motoren – eine Ausrede?

Die Hersteller begründen das Abschalten der Abgasreinigung meist damit, dass dies den Motor schone. Maschinenbauingenieur Andreas Mayer hat sich ein Leben lang mit Diesel-Abgasreinigungssystemen beschäftigt und ist ein Pionier in Sachen Emissionskontrolle. Gegenüber „Kassensturz“ bezeichnet Mayer das Argument der Motorschonung als Vorwand. „Das ist eine Ausrede, denn man kann die Anlage so bauen, dass der Motor unter keinen Umständen in eine riskante Situation getrieben wird“. Die Abschaltung werde aus Kostengründen gemacht, sagt Mayer: „Würden Hersteller die Anlage so bauen, dass sie unter allen Einsatzbedingungen operieren, also bei allen Geschwindigkeiten, Temperaturen und Höhen, ginge das auch. Aber man müsste den Katalysator wesentlich grösser bauen. Und weil das Geld kostet, wird es nicht gemacht“.

Keine rechtliche Handhabe

Die Verkehrsclubs zeigen sich über die neusten Messwerte empört. Es kann nicht sein, dass neue Dieselfahrzeuge verkauft werden, die den Grenzwert nicht erfüllen. Das Bundesamtverkehrsamt ist in der Pflicht, einen Verkaufsstopp für einzelne mangelhafte Dieselfahrzeuge zu erlassen.

Ob die Abschalttricks der Dieselautohersteller legal sind, oder nicht – sicher ist: Sie führen die Autokäufer in die Irre.

von

Günter Schwarz – 14.12.2016