Sie wollten etwas Gutes tun und werden jetzt im Stich gelassen. Über 21.500 Syrer kamen dank Aufnahmeprogrammen nach Deutschland, weil Privatbürger für die Kosten bürgten. Obwohl die Flüchtlinge mittlerweile anerkannt sind, müssen viele Helfer weiterhin zahlen.

Vielleicht war es ja nur ein Versprecher. Als Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der Bundespressekonferenz am 31. August 2015 ihr berühmtes „Wir schaffen das!“ in die Welt setzte, fühlten sich viele Bundesbürger in ihrer Hilfsbereitschaft bestätigt. Doch vielleicht hätte es eher heißen sollen: Ihr schafft das! Denn viele Flüchtlingspaten fühlen sich mittlerweile getäuscht und hinters Licht geführt.

Dabei bedurfte es gar nicht erst gewichtiger Worte der Bundeskanzlerin und offener Grenzen, um die Deutschen zum Helfen zu animieren. Schon 2013 entstanden Aufnahmeprogramme für Flüchtlinge in den Bundesländern, bei denen alle bis auf Bayern mitmachten. Der humanitäre Gedanke dahinter war, Flüchtlinge aus Syrien sollten im Rahmen der Familienzusammenführung legal nach Deutschland einreisen können.

Dass am Ende über 21.500 Syrer nach Deutschland kommen konnten, ist jedoch vor allem privater Initiativen zu verdanken. Denn auch Humanität kostet Geld. Neben Flugtickets und Visagebühren kommen noch zusätzliche Kosten für Miete und Unterhalt im Gastland hinzu. Die syrischen Familienangehörigen, die schon in Deutschland lebten, konnten die finanziellen Belastungen nicht alleine stemmen. So kam es in vielen Bundesländern zu Bürgschaften von deutschen Helfern für die in Deutschland lebenden syrischen Familienangehörigen.

Viele Helfer unterschrieben, weil ihnen von offiziellen Stellen zugesichert wurde, dass die Verpflichtungserklärung mit der Anerkennung des Asylantrags der Flüchtlinge ende. Doch nun gibt es ein böses Erwachen. Immer mehr Helfer bekommen Post von Jobcentern quer durch die Republik. Zwar bekommen die anerkannten Flüchtlinge nun Sozialleistungen, doch die Behörden holen sich das Geld von den Bürgen wieder zurück.

Nicht alle Flüchtlingspaten haben nur für einen Angehörigen gebürgt. In einigen Fällen sind es bis zu fünf oder sechs. Da kommen plötzlich horrende Summen zusammen. Einige Helfer sind mittlerweile sogar verschuldet. Schuld sind Streitigkeiten zwischen Bund und Ländern. Und zum Teil unterschiedliche Gesetzeslagen in den einzelnen Bundesländern und Kommunen.

Der Streit zwischen Bund und Ländern entbrennt über die Frage, wann die Verpflichtungserklärung der Helfer endet. Den Bürgen wurde seinerzeit von den Bundesländern mitgeteilt, dass die Verpflichtungserklärung nach dem erfolgreichen Asylverfahren endet. Mit der Asylanerkennung hätten die Flüchtlinge Anspruch auf Sozialhilfe, also Mittel, die Jobcenter aus Bundesgeldern zahlen. Daher gingen alle finanziellen Verpflichtungen auf den Bund über.

Der Bund wiederum verweist auf die Verpflichtungserklärung, die keine Haftungsbeschränkung beinhaltet. Mit anderen Worten: Die Bürgen müssten auch nach erfolgreich abgeschlossenem Asylverfahren weiterzahlen. Deswegen verlangen die Jobcenter nun die ausgezahlten Leistungen von den Bürgen zurück.

Ein weiterer Grund, warum sich der Bund querstellt, mag die Verstimmung über das Verfahren der Bundesländer sein. Das Bundesinnenministerium hat nie einen Hehl über seine Verärgerung gemacht, wenn es um die Aufnahmeprogramme der Länder ging. Der Vorwurf: Die Länder stellten den Flüchtlingen Visa aus und würden sie damit de facto als Asylanten anerkennen. Und der Bund solle dann zahlen.

Ein weiterer Streitpunkt ist die unterschiedliche Rechtslage in den Bundesländern. So lehnte das Bundesland Hessen den Verfall der Verpflichtungserklärungen mit der Begründung ab, dass seit Juli 2016 eine neue Rechtslage vorliege. Danach müssen dort nun Bürgen für fünf Jahre für Flüchtlinge einstehen. Dass damit ein neues Gesetz rückwirkend angewendet wird, komplettiert nur das ohnehin schon verworrene Bild.

Doch es wird noch besser: Während zum Beispiel die Bürgen in der hessischen Stadt Gießen zur Kasse gebeten werden, werden die Bürgen in der Nachbarstadt Wetzlar verschont. Der Oberbürgermeister von Wetzlar, Manfred Wagner (SPD), bewertet die Verpflichtungserklärungen der Bürgen aufgrund der früheren Äußerungen von offizieller Seite als erloschen.

Nur die wenigsten Bürgen bereuen ihre Entscheidung. Auch wenn vielen die Worte der Bundeskanzlerin mittlerweile wie blanker Hohn vorkommen.

von

Günter Schwarz – 08.01.2017