Jedes Jahr infizieren sich 800.000 Menschen mit gefährlichen Krankenhauskeimen – schuld daran ist mangelnde Hygiene. Recherchen von Plusminus und dem Recherchezentrum Correctiv zeigen: 26 Prozent der Krankenhäuser erfüllen die Hygienevorschriften des Robert Kochs Instituts nicht, und es wird geschlampt. Zudem beschäftigen sie zu wenig Hygienepersonal.

Mehr als jedes vierte Krankenhaus (26 Prozent) erfüllt die Hygienevorschriften des Robert Koch Instituts nicht und beschäftigt zu wenig Hygienepersonal. Das ergeben gemeinsame Recherchen des ARD-Magazins „Plusminus“ und des Recherchezentrums „correctiv.org“. Schlusslicht ist demnach Bremen, wo 43 Prozent aller Kliniken die Vorgaben nicht erfüllen, auf dem vorletzten Platz liegt Thüringen mit 42 Prozent, darauf folgt Berlin mit 37 Prozent. Am besten schneidet Hamburg ab, wo lediglich 10 Prozent der Kliniken die Hygienevorgaben verfehlen.

Experten wie Walter Popp von der Gesellschaft für Krankenhaushygiene gehen davon aus: Die Gefahr sich anzustecken, wächst von Jahr zu Jahr, weil vor allem multiresistente Keime mit Antibiotika überhaupt nicht mehr zu behandeln sind. Gleichzeitig habe sich die Reinigung in den Kliniken verschlechtert, so Popp.
Ein Hygieniker für 400 Betten

Laut Infektionsschutzgesetz muss eine Klinik pro 400 Betten einen festangestellten Hygieniker haben. Diese Hygieniker sind dafür zuständig, Keiminfektionen in einer Klinik zu vermeiden. Das bedeutet ein breites Aufgabenspektrum: Sie müssen die Kontrolle und Schulung von Mitarbeitern übernehmen, etwa von Reinigungskräften.
Sie müssen die richtige Desinfektion zum Beispiel von Patientenbetten überwachen sowie Infektionsstatistiken führen. Das alles ist wichtig, um die Ursachen von Keimausbrüchen zu finden.
Situation in Bremen und Thüringen dramatisch

Das ARD-Magazin Plusminus und das Recherchezentrum Correctiv haben jetzt herausgefunden: Jedes vierte Krankenhaus erfüllt die Vorschriften nicht. Besonders dramatisch ist die Situation demnach in Bremen, wo 43 Prozent aller Kliniken die Vorgaben nicht erfüllen.

Auf dem vorletzten Platz liegt Thüringen mit 42 Prozent. Darauf folgt Berlin, wo in weit über einem Drittel der Kliniken Hygienepersonal fehlt. Am besten schneidet Hamburg ab, wo nur zehn Prozent der Kliniken die Hygienevorgaben verfehlen.

Gesetzliche Vorgaben werden missachtet

Diese Zahlen belegen, dass viele Krankenhäuser und Kliniken die gesetzlichen Vorgaben von Gesundheitsminister Hermann Gröhe regelrecht ignorieren. Das verantwortliche Ministerium weiß das und schiebt die Verantwortung den Bundesländern und einzelnen Klinken zu.

Denn Anfang 2015 hatte Gröhe einen Zehn-Punkte-Plan zur Bekämpfung multiresistenter Keime in Kliniken aufgestellt, mit dem Ziel bis Ende 2016 mehr Hygienepersonal einzustellen. Bislang hat das nicht funktioniert. Finanzielle Unterstützung soll die Kliniken jetzt „motivieren“, sich um Hygienepersonal zu bemühen. Etwa 460 Millionen Euro stehen dafür bereit.

Erklärungsversuche von Gröhe

Gröhe erklärt die verfehlten Ziele so: „Aufgrund des hohen Bedarfs waren auf dem Arbeitsmarkt trotz erfolgter Qualifizierungsmaßnahmen nicht ausreichend Hygienefachkräfte verfügbar. Grund hierfür war unter anderem, dass die Aus- und Fortbildung zeitintensiv ist.“

Das Erreichen der Vorgaben sei deshalb „auf Bitten der Länder zwischenzeitlich bis Ende 2019 verlängert“ worden, teilte das Gesundheitsministerium mit.

Patienten sterben an Keimen

„Die Krankenhäuser haben die Initiative ausgesessen“, kritisiert Hygiene-Experte Popp das mangelnde Durchgreifen des Ministers. Und Dirk Janssen, Vizechef des Landesverbandes Nord der Krankenkasse BKK, hält die aktuell herrschenden Zustände für alarmierend: „Wenn sich nichts ändert, kostet das jedes Jahr Tausende Patienten das Leben.“

Datenbank mit Informationen zu Hygienestandards

Plusminus und Correctiv haben erstmals eine frei zugängliche Datenbank erstellt, in der man nachschlagen kann, welche Zustände im Krankenhaus um die Ecke herrschen. Auf einer Deutschlandkarte sind alle Krankenhäuser mit einer Postleitzahl zu finden. Dort finden Sie Informationen darüber, ob das Krankenhaus die Hygienestandards erfüllt und wie viel Personal dort eingestellt ist.

von

Günter Schwarz – 11.01.2017