(Berlin) – Die deutschen Behörden haben 2016 eine rekordhohe Zahl von Asylanträgen bearbeitet. Neu angekommen sind aber deutlich weniger Schutzsuchende als im Jahr davor. Zufrieden sind die Behörden noch nicht.

2016 sind pro Monat zwischen 10.000 und 15.000 Asylsuchende nach Deutschland gekommen, insgesamt nach vorläufigen Angaben rund 280.000 Personen. Das ist gemessen am Zustrom im Jahr davor ein Rückgang um mehr als zwei Drittel. Aber es ist, wie Innenminister Thomas de Maizière an einer Pressekonferenz mit dem Präsidenten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf), Frank-Jürgen Weise, bemerkte, mit Blick auf die angeblich „geschlossene“ Balkanroute immer noch viel. Deshalb sieht er es auch nicht als Aufgabe Deutschlands, dafür zu sorgen, dass die auf dem Balkan Gestrandeten weiterziehen können.

Die Frage, ob 280.000 Neuankömmlinge viel oder wenig sind, bekommt vor dem Hintergrund der andauernden Debatte über die von der CSU geforderte Obergrenze für Flüchtlinge von 200.000 Personen jährlich politische Brisanz. De Maizière wollte sich nicht dazu äußern; die CDU mit Bundeskanzlerin Angela Merkel an der Spitze lehnt eine starre Deckelung ab.

Riesige Zahl an Asylanträgen

Zwei Hinweise machte der Innenminister trotzdem: Zum einen verwies er darauf, dass in den ersten drei Monaten, als die Balkanroute noch in vollem Betrieb war und das Flüchtlingsabkommen der EU mit der Türkei noch nicht griff, im Vergleich zu den späteren Monaten deutlich höhere Einreisen vermerkt wurden. Andernfalls hätte die Gesamtzahl näher bei 200.000 gelegen. Und er nannte erneut Flüchtlingskontingente und eine schnelle Einigung auf ein europäisches Asylsystem mit einheitlichen Standards als erstrebenswertes Ziel.

Für de Maizière und Weise, der in Kürze sein Doppelmandat als Chef des Bamf und der Bundesagentur für Arbeit aufgibt, ging es auch um eine Bilanz. Weise hatte im Herbst 2015 das bereits zu diesem Zeitpunkt völlig überforderte Bamf übernommen, um Strukturen zu schaffen, welche die Bewältigung der zu erwartenden Flut von Asylanträgen und Integrationsmaßnahmen überhaupt ermöglichen sollten. Die Vervielfachung des Personals klappte nicht auf Anhieb, Weise dankte aber anderen Bundesbehörden, die ausgeholfen hatten.

Die Wucht der Aufgaben ermisst sich auch daran, dass im vergangenen Jahr 745.000 Asylanträge gestellt und 695.000 Entscheidungen gefällt wurden. Die Diskrepanz zur Zahl der Neuankömmlinge erklärt sich damit, dass die meisten der 2015 Eingereisten erst 2016 ihren Antrag stellen konnten.

Altlasten bleiben

Trotz allen vorgängigen Beteuerungen schaffte es das Bamf nicht, die Altlasten ganz abzubauen, welche die Behörde seit Jahren mit sich herumschleppt. Rund 340.000 Fälle waren zum Jahresende noch nicht entschieden. Wer neu ankommt, muss aber im Durchschnitt nur noch bis zu zwei Monate auf einen Bescheid warten, weil die Abläufe mittlerweile deutlich effizienter sind. Darauf ist Weise stolz. Mit Blick auf die Asylanträge standen Syrer 2016 an erster Stelle. Deutliche Zunahmen waren aus dem Irak, Iran und Russland zu verzeichnen.

Die Probleme im Management der großen Zahl Asylsuchender sind aber nach wie vor vielgestaltig. Je mehr Entscheidungen das Bamf trifft, desto grösser wird auch die Zahl jener, denen kein Schutz zugestanden wird. Die freiwilligen Ausreisen und die Ausschaffungen nahmen zwar 2016 deutlich zu, aber bei den Rückführungen sind viele Fragen ungelöst, wie auch der Fall des Attentäters von Berlin zeigte. Jene, die seit 2016 nach Deutschland kamen, sind nun aber im Unterschied zu früher eindeutig identifizierbar; die so ermittelten Daten sind allen involvierten Behörden zugänglich. Mit Blick auf die Sicherheitsdebatte ist das eine wichtige Nachricht, wenngleich die Validität der Daten keineswegs über alle Zweifel erhaben ist.

von

Günter Schwarz – 12.01.2017